St. Gertrudisbote

71. Jahrgang - Dezember 2016



Liebe Leserinnen und Leser unseres Gertrudis-Boten!
Mit dem 1. Advent treten wir in ein neues Kirchenjahr ein. Dabei zeigt uns die Vorbereitungszeit auf Weihnachten ein Doppelgesicht: Es geht um die Vorbereitung auf das Hochfest der Menschwerdung Gottes und zugleich um die innere Ausrichtung auf die Wiederkunft Christi am jüngsten Tag. Also Aufbrechen und Ankommen sind die Stichworte; und die finden wir auf das Ganze einer menschlichen Biografie angewandt und durchbuch-stabiert in beispielhafter Weise beim Erzvater Abraham. Was das für uns heute bedeuten kann, dem ist Schwester Philippa Rath OSB aus der Abtei St. Hildgerad in Eibingen nachgegangen. Ihr sei ein ein herzliches Vergelt’s Gott dafür gesagt, dass wir einen Teil ihrer wertvollen Gedanken hier ver-öffentlichen dürfen!

Bleiben und gehen
Die Geschichte von Abrahams Auszug ist eine Geschichte, die an einer un-sichtbaren Weggabelung spielt. Abraham schwankt zwischen Dableiben und Weggehen. Zwischen dem Wagemut, etwas Neues zu beginnen und der Furcht, alles zu verlieren. Das erste Wort Gottes an Abraham lautet: „Geh“, nicht: „Bleib“. Vom Johannesevangelium scheint uns zunächst das „Bleiben“ näher zu liegen als das Gehen. „Bleibt in meiner Liebe“, „Wer in mir bleibt, wird reiche Frucht bringen“ etc.
Bleiben und Gehen schließen sich jedoch nicht aus. Vielleicht bedingen sie einander sogar. Unsere Gelübde sind auf das Bleiben ausgerichtet, auf die Treue, das Standhalten. Und dennoch braucht es das Gehen, die Bewegung. Bewegung von Körper und Seele, von Geist und Herz.  Die Geschichte von Abrahams Auszug ist die Geschichte eines Auszugs, eines Aufbruchs, einer radikalen Veränderung. Abraham verließ nicht nur seine Heimat. Für Nomaden seiner Zeit war das ja gar nicht außergewöhnlich. Er brach vielmehr auch mit seiner Verwandtschaft, mit seiner Familie und seiner Sprache und verließ das Haus seines Vaters. Nicht alles, was Abraham mit-nehmen mochte, passte wohl in sein Gepäck. Es galt also, Ballast abzu-werfen, sich von vielem zu trennen, sich auf das Nötigste zu beschränken.
Wir können uns fragen: Was packen wir in den Koffer auf dem Weg in die Zukunft? Was wollen wir mitnehmen auf unserem Weg in die Zukunft? Was müssen wir zurücklassen, wovon müssen wir uns trennen?

Aufbruch setzt Vertrauen voraus
Sein Ziel kannte Abraham zunächst nicht. Das verheißene Land war ein Land, von dem er bisher nichts Genaueres wusste – außer, dass Gott selbst es ihm zeigen werde. Abraham  bricht also auf  ins Ungewisse. Er geht ein gewaltiges Risiko ein. Einzig durch Gottes Wort bewegt, lässt er alles Vertraute zurück, um neue Lebensräume zu erkunden. Das klingt unbe-quem und ungewohnt, für manchen ganz sicher beängstigend. Glauben war da gefragt und starkmütiges Vertrauen. An den Grenzen unseres Lebens entscheidet sich, ob wir wirklich glauben oder nicht. Was Abraham gehen lässt, ist allein das Vertrauen in „seinen“ Gott und dessen Verheißung von Leben und Zukunft. Glaube bedeutet ja im Tiefsten: Vertrauen. Vertrauen auch da, wo wir noch nicht erkennen, wo wir nur hören, horchen und gehorchen können, wo es u.U. auch ungemütlich wird, wo es keine Sicher-heiten gibt, keine festen Vorgaben. Abraham folgt keineswegs nur seinem Fernweh und seiner Abenteuerlust. Nein, er antwortet allein auf Gottes Ruf und auf seine Verheißung. Er wird sich geprüft haben, ob er die Stimme Gottes nicht etwa mit seinen eigenen Träumen und Wunschvorstellungen verwechselt.
Wir können uns fragen: Wie steht es mit meinem Vertrauen in die Fügungen und Führungen Gottes? Bin ich noch bereit, mit Maria zu sprechen: Mir geschehe nach deinem Wort?

Aufbruch fordert Mut zur Veränderung und zur Begegnung mit dem ganz anderen
Auch heute ist Abraham unterwegs auf den Straßen dieser Welt, auf der Suche nach einer neuen Heimat und dem gelobten Land. Abraham ähnelt in vielem den modernen Flüchtlingen und Migranten, die alles aufzugeben bereit sind, um in einer „neuen Welt“ die Erfüllung ihrer tiefsten Sehnsucht zu suchen. Das gelobte Land kann dabei heute bereits das Einreisevisum in die EU sein. Abraham ähnelt aber auch den vielen suchenden und orientierungslosen Menschen unserer Zeit, die immer wieder neu aus- und aufbrechen, um ihr Lebensglück und ihren Lebenssinn zu finden. In unseren Klöstern stehen sie vor der Tür und klopfen an – auf der Suche nach Leitbildern und Vorbildern und nach gelungenen und überzeugenden Lebensmodellen.
Schließlich aber ähnelt Abraham vor allem auch uns selbst, jeder einzelnen von uns, die wir einst alles verlassen haben und aufgebrochen sind: auf einen neuen Weg, in einen neuen Lebensrahmen, in eine neue Gemein-schaft, ins Kloster. Heute und in diesen Tagen suchen wir nach neuen Wegen in die Zukunft, weil die Zeiten sich geändert haben und auch wir selbst, weil wir vor ganz neuen Herausforderungen stehen, vielleicht auch, weil wir zu sesshaft, zu bequem, zu etabliert, zu angepasst, zu bürgerlich geworden sind. Abraham weiß, dass Glaube auch bedeuten kann, Abschied zu nehmen und neu aufzubrechen, das loszulassen, was uns hemmt und was uns träge macht. Aufbruch ist immer wieder nötig, um der eigenen Berufung, um unserer ersten Liebe treu zu bleiben. Wir dürfen dabei sicher sein: Es lohnt sich, gewohnte Denk- und Handlungsmuster aufzubrechen, die eingefahrenen Geleise zu verlassen. Wirkliche Innovation setzt immer Aufbruch aus dem Gewohnten voraus. Es schadet nie, sich dem Anderen, dem Fremden auszusetzen. Wer sich in die Fremde wagt wie Abraham, der lernt sich selbst umso besser kennen. Dabei begegnet uns das Andere, das Neue und das Fremde ja keineswegs nur in fernen Ländern und Menschen. Es begegnet uns oft schon vor der eigenen Tür, in den nicht selten ganz fremden Gedanken der anderen,  ja sogar im eigenen Herzen. Menschen wie Abraham können uns ermutigen, sich dem Anderen in uns und um uns herum auszusetzen, es nicht als Bedrohung zu verstehen, sondern als Chance auf dem Weg zu Segen und Heil.
Wir können uns fragen: Wo habe ich mich angesiedelt und bin allzu sesshaft geworden? Wo bin ich verhärtet in eigenen Vorstellungen und Positionen, wo muss ich mich öffnen für Neues und Fremdes?

Aufbrechen vermögen wir nicht aus uns allein
Ein letzter Gedanke: Der Weg in das gelobte Land ist ein Weg, den Gott dem Abraham gewiesen hat. Dem Aufbrechen geht immer ein Ruf voraus. Die Geschichte Gottes mit dem Menschen wurde also nicht vom Menschen angefangen und wird auch nicht von ihm (allein) vorangetrieben und vollendet. Den Weg zum Segen können wir uns nicht selbst bereiten. Wir vermögen sehr viel, wenn wir an uns glauben und an uns arbeiten. Aber im Reich Gottes kommt die Machermentalität an ihre Grenzen. Abraham hat verstanden, dass nicht er allein seine Zukunft schaffen muss und es auch gar nicht kann. Der Weg zum Segen und ins gelobte Land liegt nicht in unseren Händen. Im Glauben wissen wir, dass Fruchtbarkeit letztlich immer Geschenk ist. Wir dürfen uns deshalb demütig eingestehen, dass wir das Entscheidende nicht selbst machen können. Diese Einsicht hilft uns nicht nur, mit dem möglichen Scheitern eigener Aktivitäten leichter umzu-gehen und gelassen zu bleiben. Sie hilft uns auch, bei unseren Erfolgen Gott nie aus dem Blick zu verlieren. Er hilft uns, immer und für alles dank-bar zu bleiben. Auch darin kann die Abrahamsgeschichte uns ein Vorbild sein.
Im Jakobusbrief 2,23 heißt es: „Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet, und er wurde Freund Gottes genannt.“ Mögen auch wir in der Nachfolge des Stammvaters Abraham – in all unseren Aufbrüchen und Umbrüchen - einst Freunde Gottes genannt werden.
Wir können uns fragen: Bin ich mir bewusst, dass ich das Entscheidende nicht selbst machen kann? Kann ich gelassen bleiben auch in scheinbaren Niederlagen? Bin ich ein dankbarer Mensch?

Aus unserer  C H R O N I K :
Am 20. August, an Mutter Bernardas Namenstag, füllte sich abends unsere Kirche mit weit über 200 Menschen. Allerdings nicht, um den heiligen Bernhard zu feiern, sondern anlässlich des Festgottesdienst zum 25jährigen Bestehen der Tettenweiser Martinsbläser! Da die Pfarrkirche gerade renoviert wurde, und das Ausweichquartier Bürgerhaus die große Teilnehmerzahl nicht fassen konnte, waren wir gebeten worden, unsere Klosterkirche zur Verfügung zu stellen. Es wurde dann auch ein sehr festlicher Gottesdienst, mit dem sich die Verantwortlichen anschließend durchaus zufrieden zeigten.
Die Gratulationsfeier zu Mutter Bernardas Namenstag holten wir tags darauf nach. Dazu bot sich an – fünf Wochen nach Schwester Adelgundis‘ Heimgang  – Dias von ihren vielen schönen Wandbehängen gemeinsam anzuschauen. Dabei wurde uns nicht nur neu bewusst, wie umfangreich und vielfältig ihr Schaffen als Paramentenstickerin war. Sondern wir hatten auch unseren Spaß, wenn das gemeinschaftliche Rätseln, wann und wo dieses und jenes Foto denn nun entstanden sei, stellenweise zu einem regelrechten Ratespiel wurde!   
Am Abend des 21.8. erhielt im Augustiner-Chorherren-Stift in Reichersberg der neue Propst, Herr Markus Grasl, seine Weihe. Dem Pontifikalamt stand der Bischof der Diözese Linz, Dr. Manfred Scheuer vor. Schwester Teresa vertrat unsere Gemeinschaft und überbrachte Gratu-lation und Segenswünsche. Auch wenn unser Kontakt nicht mehr so inten-siv ist, wie zu Herrn Gregors Zeiten, so hoffen wir natürlich auf eine ge-segnete Zukunft für die Gemeinschaft der sechzehn Chorherren, die vor allem in der Pfarrseelsorge engagiert ist.   
Am 24.8. konnte Pater Philipp Neri Schmidbauer O.Praem. sich Zeit nehmen und bei uns die lange erhoffte und ersehnte Nachprimiz feiern! Auch seine Eltern und weitere Tettenweiser kamen gerne mit dazu und teilten unsere Freude.
Wenig später bekamen wir Besuch aus Beuron von Erzabt Tutilo und Bruder Samuel! Grund war allerdings nicht das pure Vergnügen an fünf Stunden Autofahrt an einem Tag hin und zurück, sondern unsere jüngste Entdeckung: Im Rahmen einer umfassenden Speicher-Räumung ergab sich die Frage, was aus den sog. Beuroner Kisten, oder besser: ihrem Inhalt werden sollte. Die Antwort der Mibrüder ließ nicht lange auf sich warten: Die alten Gips-Reliefs und Figuren, die Anfang vorigen Jahrhunderts als Auftragsarbeit für die Erzabtei bei uns angefertigt wurden, sind für die Wiege der Beuroner Kunst von Wert! Denn bis nach Übersee wurden sie verschickt, nur am Urpsrungsort dieser inzwischen wieder geachteten Kunstrichtung hat man kaum etwas davon. Das hat sich mit der Übergabe der alten Schätze nun geändert! Außerdem war es einfach schön, einander kennenzulernen und gemeinsam Hand anzulegen.
Von 12. bis 14. September fand ein Treffen der Äbtissinnen unserer Föderation auf Frauenchiemsee statt. Für Mutter Bernarda war die Teil-nahme daran der erste Außentermin, den sie nach ihrer Reha wahrnahm. Sie hat ihn nicht nur gut überstanden, sondern kehrte auch um viele Anre-gungen und Eindrücke reicher wieder heim. So sah sie zum ersten Mal die ganz neu gestaltete Chorkapelle der Mitschwestern, die Bruder Thomas Hessler OSB aus dem Europakloster Gut Aich in Anlehnung an den Johannes-Prolog konzipiert hat: Ein beeindruckendes Gesamt-Kunstwerk!
Schwester Bonaventura freute sich, von 12. bis 15.9. wieder an einem Klosterarbeiten-Kurs unter der bewährten Leitung von Frau Keller in Niederaltaich teilnehmen zu können.
Die Arbeitsgemeinschaft der Orden im Bistum Passau lud zu ihrem  diesjährigen Studientag am 17.9. ein. Auf dem Programm stand die Begeg-nung mit einer Schwester der evangelischen Communität Casteller Ring. Die bewährte Gastfreundschaft der Benediktinerinnen der Anbetung in Ortenburg-Neustift bildete dafür den rechten Rahmen. Schwester Dorothea Krauss CCR gewährte Einblicke in die Spiritualität ihrer Gemeinschaft, die eng mit der Abtei Münsterschwarzach verbunden ist. Sie erzählte von der Geschichte, den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu katholischen Benediktinerinnen – und auch von der Kommunitätslandschaft ihrer Kirche. Der Tag passte gut zur Vorbereitung auf das Lutherjahr und wurde von Schwester Paula und Pater Augustinus gerne wahrgenommen.
Schwester Lioba vollendete am 25.9. ihr 85. Lebensjahr! Allen Ein-schränkungen des Alters zum Trotz, leitet sie als Meisterin unsere Stepp-decken-Näherei und ist täglich vormittags organisierend und beratend im Laden präsent. In einer kleinen Fest-Rekreation am Nachmittag gratulierten wir unserer Mitschwester im Rahmen eines ‘Sketch-Kaffees‘: Das Ge-burtstagskind durfte zwischen Sequenzen von Heinz Erhardt und Loriot wählen – und wir hatten alle Spaß daran!
Ein halbes Jahr ist seit der Visitation im März vergangen. Nun machten sich Äbtissin Elisabeth Kralemann OSB (Engelthal) und Abt Rhabanus Petri OSB (Schweiklberg) erneut auf den Weg und schenkten uns drei Tage von ihrer kostbaren Zeit (26. – 28.9.). Sie wollten hören, inwieweit die Anregungen des Rezesses umgesetzt werden konnten und wie wir unseren weiteren Weg sehen. Mit uns freuten sie sich über das Erreichte und erklärten die Visitation für geschlossen. Freilich haben wir bisher nur erste Schritte getan, nämlich unsere Situation personell und wirt-schaftlich erfasst, und sind über die Konsquenzen daraus in einen Ge-sprächsprozess eingetreten. Aber der schwere Teil, Entscheidungen und ihre Umsetzung, das steht ja erst noch bevor! Damit wir uns dabei nicht allein gelassen fühlen, wird es die nächsten begleiteten Gemeinschaftstage im Februar kommenden Jahres geben. 
Noch einmal war unsere Klosterkirche als „Ausweichquartier“ am 8. Oktober gefragt: Die Vorabendmesse der Pfarrgemeinde wurde musi-kalisch gestaltet von den Jagdhornbläsern BJV Kreisgruppe Griesbach mit der sog. Hubertusmesse. Dazu hatte man ein mächtiges Hirschgeweih vor dem Altar drapiert, dazwischen ein Kreuz aus Birkenstämmen – eindrückliches Zeichen über einer außergewöhnlichen Feier!

Am 21.10. verstarb in Eichstätt unsere Oblatin Frau Kriemhild (Scholastika) Marowsky im Alter von 92 Jahren. R.i.p.!


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Liebe Angehörige, liebe Vereinsmitglieder, Wohltäter und Freunde unserer Abtei, liebe Schwestern und Brüder,
Wir wünschen Ihnen einen gesegneten Advent in einer immer unruhiger werdenden Welt. Ihnen und allen, die Ihnen nahe stehen, die Freude des menschgewordenen Gottes. Ihnen allen ein herzliches Vergelt´s Gott für Ihre Treue das ganze Jahr hindurch!
Mit dankbaren herzlichen Grüßen,



Ihre

M. Bernarda Schmidt OSB

(Äbtissin)