St. Gertrudisbote

64. Jahrgang - September 2009



D e r A u g e n b l i c k i s t m e i n

- Nachdenken über die Zeit -

Vortrag bei der Jahresversammlung des Herz-Jesu-Hilfsvereins
am 21. Juni 2009 von Prof. em. Dr. Otto Betz, Passau

Vielerlei Zeiten werden uns geschenkt: Zeiten der Arbeit und der Ruhe, Zeiten der Anstrengung und der Entspannung, Zeiten, in denen sich viel ereignet und Zeiten, die uns langweilig vorkommen, weil sich nichts Auffälliges begibt. Und wenn wir unser Leben bedenken, dann werden uns Abschnitte einfallen, die von äußerster Brisanz waren, weil wir von Gefahren bedroht waren oder weil wir wichtige Entscheidungen zu treffen hatten. Dagegen können wir uns an andere Lebensperioden viel weniger erinnern, weil unser Dasein damals in ‘in ruhigen Gewässern‘ weiterlief und keine Abenteuer zu bestehen waren.

1. Alles hat seine Zeit

Zeit ist also nicht gleich Zeit. Schon das Buch ‘Prediger‘ weist ja eindringlich darauf hin, dass alles ‘seine Zeit‘ hat, alles ‘seine Stunde‘, und dass wir aufmerksam sein müssen, ob uns die konkrete Stunde zum Handeln oder zum Stillehalten einlädt, ob gesät oder geerntet werden soll, ob es eine fröhliche oder eine traurige Zeit ist. In jedem Moment sind wir ‘in der Zeit‘, bekommen wir eine Seinsmöglichkeit geschenkt, von uns wird aber nur verlangt, dass wir herausfinden, welche Möglichkeiten und Chancen in dem aktuellen Zeitraum versteckt sind. Nicht in jeder beliebigen Stunde kann eine wichtige Entscheidung getroffen werden, erst wenn der günstige Moment gekommen ist und wir Einblick in die Zusammenhänge und die Auswirkungen bekommen haben, kann die Wahl getroffen werden. Wie oft mögen wir uns ärgern, dass wir den rechten Zeitpunkt nicht wahrgenommen haben und zur Unzeit eine Entscheidung getroffen haben.
Die Vorstellung, dass wir das ‘Gewicht der Zeit‘ erkennen sollen, um die uns gebotenen Möglichkeiten zu nutzen, sollte uns aber nicht dazu bringen, immer wie ein Luchs oder ein Habicht unruhig auf Beute zu lauern. Das Buch ‘Prediger‘ sagt ja, dass alles seine Zeit hat: Es gibt also nicht nur die Zeit des Wachens, sondern auch die des Schlafes, nicht nur die Phase angestrengter Arbeit, sondern auch die Mußezeit. Unser Leben braucht den Wandel und die Abwechslung, sonst geraten wir in eine Überanstrengung und verkrampfen uns nur, ohne etwas zustande zu bringen. Wer sich entspannen und Ruhephasen genießen kann, der ist auch eher dazu in der Lage, wieder hellwach zu sein, wenn es darauf ankommt.

2. Chronos und Kairós

Die griechische Sprache kennt nicht nur einen Ausdruck für die gleichmäßig weiterfließende Zeit (nämlich ‘Chronos‘), die mit der Uhr gemessen oder mit einem Kalender verfolgt werden kann, sie kennt daneben einen Ausdruck, der eine besonders wichtige Zeit charakterisiert: ‘Kairós‘. Darunter wird ein entscheidender Augenblick verstanden, der vielleicht schicksalhafte Bedeutung hat, weil er eine einmalige Chance bietet und nur eine kurze Weile dauern mag. Ein solcher Kairós kann vorher nicht berechnet werden, er bricht plötzlich herein und muss dann ‘beim Schopf gepackt‘ werden, was daran erinnert, dass Kairós in der griechischen Antike als Gott verehrt wurde, der an der Stirn einen Haarschopf hatte, damit er gegriffen werden konnte, wenn er auf einen zukam.
Im Neuen Testament ist nun auch häufig von Kairós die Rede, er wird verstanden als die Zeit des gnadenhaften Handelns Gottes. Wenn er uns aber einen solchen Kairós gewährt, dann heißt das für uns, dieses Angebot zu erkennen und die Gunst der Stunde dankbar zu nutzen. Ein verpaßter Kairós mag eine Katastrophe bedeuten. Im Lukasevangelium wird die Szene geschildert, dass Jesus beim Anblick der Stadt Jerusalem zu weinen begann, weil er schon ihren Untergang voraussah. „Zu Boden stampfen sie dich und deine Kinder in dir. Und sie werden nicht Stein auf Stein in dir lassen – dafür, dass du nicht erkannt hast den Kairós deiner Heimsuchung“ (Lk 19,44).

3. Sehfähig für das Gewicht einer Stunde

Vor allem in den Paulusbriefen wird oft auf den Kairós hingewiesen. Man hat den Eindruck, Paulus wolle die Menschen sehfähig machen für diese besonderen Zeitpunkte, die eine unvergleichliche Bedeutung haben und uns zum Handeln herausfordern. „Und das wisst um den Kairós: die Stunde ist schon da, euch vom Schlaf zu erheben… Die Nacht ist vorangekommen, der Tag ist genaht“ (Röm 13,11). Paulus greift das alte Bild vom schlafenden Menschen auf, der in der Gefahr steht, alle Chancen zu verschlafen. Es muss einer kommen und deutlich machen, wie spät es schon ist, damit auch die Langschläfer merken: es ist ‘höchste Zeit‘. Und wenn einer fragt, was denn der Kairós zu bieten hat, was denn getan werden soll, dann antwortet Paulus: Jetzt ist die Zeit des rechten Tuns, die Stunde der Nächstenliebe. „Lasst uns, solange uns ein Kairós gewährt wird, das Gute tun. Beim rechten Kairós werden wir ernten, wenn wir nicht verzagen“ (Gal 6,9f). – Und schließlich wird ein Bildwort verwendet, das aus der Kaufmannssprache genommen ist: „Kauft den Kairós aus“ (Eph 5,16; Kol 4,5). Wer sich verproviantieren muss, der darf die Marktzeit nicht versäumen. Wer eine kostbare Ware sucht, der sollte darauf achten, wann und wo sie angeboten wird. Nicht immerzu gibt es die große Chance, nur der Wachsame kann die – vielleicht einmalige Gelegenheit - ausnutzen. Aber dem biblischen Autor geht es nicht um ein günstiges ‘Schnäppchen‘, er macht uns darauf aufmerksam, dass unser Schicksal auf dem Spiel steht. „Kauft den Kairós aus, denn die Tage sind schlimm“, heißt es im Epheserbrief. Und im Kolosserbrief wird – etwas tröstlicher – gesagt: „Kauf den Kairós aus. Euer Wort sei allezeit voll Freude“. Der Kairós ist ja das große Geschenk, das uns zuteil wird: Wir sind auferweckt worden, dürfen den Tag des heraufkommenden Heils erleben und uns freuen, nicht mehr vom Verlorengehen bedroht zu sein. „Schreiten wir mit Freimut zum Thron der Gnade“, heißt es im Hebräerbrief (4,16), „damit wir Erbarmen erlangen und Gnade finden – als Hilfe für einen günstigen Kairós.“
Welche Bedeutung für unser Alltagsleben und unseren persönlichen Glauben hat aber nun die biblische Aufforderung, den Kairós zu erkennen und Angebote einer gnadenhaften Zeit zu nutzen? Vielleicht hilft es uns, eimal die großen Stationen unseres Lebens besinnlich durchzugehen, um herauszufinden, welche Stunden eine unvergleichliche Bedeutung hatten. Gerade die wichtigen Entscheidungen haben ja eine unabsehbare Tragweite, sie legen den Verlauf unseres Lebens auf lange Zeit fest, bestimmen unser Selbstverständnis, geben unserem Denken und Handeln einen wesentlichen Akzent. – Und wer hat uns damals bei der Entscheidung beigestanden, was führte zu der folgenschweren Wahl, welcher äußere Beistand oder welche innere Stimme half uns, zu einer besseren Sehfähigkeit zu kommen? Aber es mag ja auch sein, dass wir uns im Nachhinein immer noch ärgern, dass wir die Gunst einer Stunde nicht erkannt haben und eine falsche Entscheidung getroffen haben, unter deren Folgen wir immer noch leiden. – Dazu kommt, dass die Brisanz einer Situation oft erst sehr viel später wahrgenommen wird und wir blindlings eine Entscheidung trafen, ohne ihre Konsequenzen zu bedenken.

4. Auf die Stimme des Alltag horchen

In den Paulusbriefen werden seine Adressaten häufiger aufgefordert, für ihn zu beten, damit ihm „ein Tor geöffnet“ werde und er auch offene Herzen für seine Botschaft fände. Vielleicht müssen wir viel häufiger darum bitten, dass uns die Augen geöffnet werden für das ‘spezifische Gewicht‘ einer Stunde, für die besonderen Chancen einer Situation. Wie häufig stolpern wir in die Gegebenheiten hinein, ohne uns Rechenschaft abzulegen, welche Bedeutung unser Wort oder unser Tun haben werden. Gerade die Alltagswelt hat ja ihre eigene Dignität. „Ich besitze nichts mehr als den Alltag, aus dem ich nie genommen werde… Ich kenne keine Fülle mehr als die Fülle jeder sterblichen Stunde an Anspruch und Verantwortung“, so lese ich bei Martin Buber. Und wenn wir fragen, auf welche Weise sich denn Gott zu erkennen gibt, antwortet Martin Buber: „Gott redet zum Menschen in den Dingen und Wesen, die er ihm ins Leben schickt; der Mensch antwortet durch seine Handlungen an eben diesen Dingen und Wesen.“
Wir sollen also ‘kairósfähig‘ werden, sollen erkennen, auf welch unscheinbare Weise uns Gott anrufen kann. Eine ‘offene Stunde‘ wird uns geschenkt, in der etwas gesprochen und getan werden kann, was sonst nicht vor sich gehen mag. Es geht nicht einfach darum, die Zeit zu nutzen, sondern das Spezifikum eines Momentes wahrzunehmen. Natürlich sollen wir die uns gewährte Zeit nicht vergeuden und verplempern, sollen die kostbare Zeit nicht ‘vertreiben‘, aber wir sollen auch nicht meinen, dass wir als gehetzte Wesen durch die Welt rennen sollen, mit dem ängstlichen Blick auf die Uhr, die uns kündet: wieder ist eine Stunde vorüber. Wer kairósfähig geworden ist, hat auch eine neue Gelassenheit geschenkt bekommen. Alles hat ja seine Zeit, die günstige Stunde muss abgewartet werden. Wenn sie aber da ist, sollen wir hellwach sein, um das ‘kaufen‘ zu können, was der göttliche Herr der Zeiten uns anbietet.

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Aus unserer C H R O N I K :

Zweimal wurde im Marienmonat Mai unsere Klosterkirche für eine Mainandacht genutzt: Am Abend des 12. vom Frauenbund Schönburg, und am 26. von den Tettenweiserinnen selbst.
Zweimal erreichte uns in diesen Wochen auch die Nachricht vom Heimgang uns verbundener Menschen: Am 22.4. war bei einem Ägypten-Urlaub der Nürtinger Unternehmer Herr Dr. Otmar Gutekunst gestorben, am 4.5. Frau Marga Blasius in Saarbrücken. Letztere war übrigens Deutschlands erste Kriminalhauptkommissarin! Beide haben uns viel Gutes getan – wir bewahren ihnen ein ehrendes Andenken. R.i.p.!
Sr. Gertrudis war von 21. bis 25.5. im Passauer Klinikum, um sich dort einem kleinen Eingriff zu unterziehen.
Am Abend des 26. endete die erste Hitzewelle dieses Jahres mit einem der inzwischen so gefürchteten Unwetter. Wir kamen – wie so oft – mit einem „blauen Auge“ davon, was Haus und Garten betraf. Unsere Sr. Martha aber, die am 8. Januar noch recht vergnügt ihren 85. Geburtstag gefeiert hatte, erlitt am Vormittag des folgenden Tages einen schweren Schlag-anfall und wurde per Hubschrauber ins Klinikum nach Passau geflogen. Drei Tage später brachte man sie heim – für die letzte Nacht. Am Morgen des Pfingstsonntags, vor den Laudes, holte Gottes Heiliger Geist sie ins Licht der Ewigkeit... Den starken Eindruck dieser Tage werden wir so schnell nicht vergessen! Am Dienstag, 2. Juni feierten wir das Requiem für unsere verstorbene Mitschwester und trugen sie zu Grabe. P. Augustinus’ Ansprache dazu:
Liebe Schwestern und Brüder!
„Ich sterbe nicht, ich gehe einfach so hinüber“, so äußerte sich Sr. Martha gelegentlich. Nun, ganz ohne Sterben ging es am Ende doch nicht, aber ein langes Leiden blieb ihr erspart. Erstaunlich schnell ist Sr. Martha hinübergegangen. Noch am Dienstag vor einer Woche war sie hier unter uns und feierte die Eucharistie mit. Und heute tragen wir zu Grabe, was an ihr sterblich war.
Breslau - Freiburg - Fürstenwalde
Geboren wurde Frieda Wilhelm am 8. Januar 1924 in Breslau. Sie war eine Frühgeburt im siebten Monat. Bereits am folgenden Tag wurde sie getauft. Bald darauf siedelten ihre Eltern in die südlich von Breslau gelegene Stadt Freiburg i. Schlesien über, wo Friedel aufwuchs. Über ihre jungen Jahre berichtet sie in einem Lebenslauf, den sie anlässlich ihres Silbernen Professjubiläums schrieb: "Friedel war ein stilles, aber aufgewecktes Kind und konnte mitunter sehr eigensinnig sein, so dass meine Mutter oft sagte:'Du gehst mit Deinem Kopf noch durch die Wand.'“
In diesem Verhalten des Kindes meldete sich wohl schon ein Charakterzug auch der reiferen Jahre: Mitschwestern schildern Sr. Martha als einen Menschen, der schon seinen eigenen Willen hatte. Die ihr aufgetragenen Arbeiten erledigte sie gerne unabhängig und selbständig. Der Kreis der Familie Wilhelm wurde noch durch zwei jüngere Brüder erweitert. Beide sind inzwischen schon gestorben. Frieda besuchte die Kath. Volksschule ihrer Heimatstadt, die sie 1938 abschließen konnte. Gerne wäre sie Kindergärtnerin oder Schneiderin geworden, doch die Mittel für eine Ausbildung waren nicht da. So betätigte sie sich zunächst als Haushaltsgehilfin und arbeitete dann in einer Fabrik. Als ihr Vater in Fürstenwalde bei Berlin eine lukrative Anstellung fand, zog die Familie um. Friedel arbeitete nun in einer Gastwirtschaft. Bald zog es sie freilich wieder in ihre Heimat zurück, doch die Chefin ließ sie nicht gehen: Jede Kündigung wurde mit einer Gehaltserhöhung beantwortet. Anfang 1942 starb plötzlich und unerwartet der Vater. Doch es dauerte noch bis fast gegen Ende des Krieges, dass Friedel wieder nach Freiburg zurückkehren durfte.
Ein spannungsvoller innerer Weg
In religiöser Hinsicht wuchs Frieda Wilhelm in einem spannungsvollen Feld auf. Ihr Vater hatte sich den Freimaurern angeschlossen und lehnte Glaube und Kirche ab. Die Mutter konnte ihre drei Kinder deshalb nur heimlich taufen lassen. Nach der Schulentlassung 1938 schloss sich Friedel der kath. Jugendgruppe und der Marianischen Kongregation an. Das erforderte damals eine bewusste Entscheidung, denn die Kath. Kirche und zumal die christliche Jugendgruppen standen unter dem massiven Druck des Regimes. 1939 wurden alle kirchlichen Jugendorganisationen verboten. Gleichwohl hielt Friedel ihrer kath. Jugendgruppe, die sich nun nur noch heimlich treffen konnte, die Treue. In einer Gruppenstunde, an der sie bei einem Heimaturlaub teilnahm, empfing sie einen entscheidenden Impuls. Sr. Martha berichtet darüber: „Der Herr Kaplan las aus einem Buch von einem Mädchen, das ins Kloster ging, vor. Bei dieser Gelegenheit ging der Ruf des Herrn auch an mich: „Könntest nicht auch du ins Kloster gehen?“ Ich war bei diesem klaren Anruf Gottes so verwirrt und durcheinander, dass ich Tage brauchte, um damit fertig zu werden. Denn ich hatte nie daran gedacht, ins Kloster zu gehen.“
Erstaunlich offen schildert Sr. Martha die inneren Widerstände, die sich in ihr regten: „Ich wollte heiraten, lieben und geliebt werden, aber mich nicht im Kloster lebendig begraben lassen. So vergingen vier Jahre - immer wieder rief mich Gott, aber ich hörte nicht.“ Dass es ihr ernst mit war mit dem Wunsch nach einer Familie, sehen wir auch daran, dass sie sich in diesen Jahren mit einem jungen Mann verlobte.
Im Kloster
Ein tiefer Einschnitt im Leben der Familie Wilhelm war die Flucht aus der angestammten Heimat. Beim Einmarsch der Russen im Mai 45 war man noch da geblieben, aber bald wurde der Druck auf die Deutschen so groß, dass man sich zur Flucht entschloss. Der Weg führte nach Tettenweis. Bei der Familie Freudenstein in der Freiung fanden die Heimatvertriebenen Aufnahme. Von dort aus eröffneten sich auch Kontakte mit dem Kloster St. Gertrud. Durch Besuche im Kloster wie durch die Lektüre von Büchern wuchs in Friedel die Neigung zum Klosterleben. Besonders tief beeindruckte sie die „Geschichte einer Seele“ der Hl. Theresia von Lisieux. Wie Theresia wollte sich auch Frieda Wilhelm ganz Gott schenken. Der örtliche Pfarrer Aumüller unterstützte diesen Schritt. Er beschreibt Frieda in seinem Zeugnis als „ein sehr charaktervolles, tief religiöses Mädchen“, das „fleißig zu den hl. Sakramenten gekommen ist“.
So stand denn ihrem Einritt nichts im Wege. Am 27. November 1946 klopfte Friedel an die Klosterpforte, ein gutes halbes Jahr später wurde sie als Novizin eingekleidet und erhielt den Namen Martha. Am 20. Juni 1949 legte sie ihre zeitlichen Gelübde ab, am 8. Dezember 1952 die ewigen. In wenigen Wochen hätte sie ihr Diamantenes Professjubiläum feiern können. Im Kloster wurde Sr. Martha in verschiedenen Bereichen eingesetzt. Kürzere Einsätze führten sie immer wieder in den Garten oder die Küche. Doch ihre Hauptaufgabe war die Steppdeckennäherei. So konnte auch noch ihr Jugendwunsch in Erfüllung gehen: Sie durfte eine Ausbildung als Wäscheschneiderin absolvieren, die sie mit der Gesellenprüfung abschloss. Bei ihrer Arbeit war Sr. Martha selbständig, tüchtig und einfallsreich, wenn es darum ging, Lösungen zu finden. Auch zeigte sie sich stets hilfsbereit, hatte offene Augen für die Schwierigkeiten anderer und Geduld mit ihnen. Lediglich ihre schwache Gesundheit setzte ihr Grenzen. Im Jahr 2003 zog sie sich aus der Steppdeckennäherei zurück. Doch stellte sie ihre Kräfte auch weiter in den Dienst des Klosters: durch Bastelarbeiten und Mithilfe in der Wachsabteilung, beim Putzen und im Refektorium und auch durch die Betreuung eines Blumenbeets im Klosterpark. In ihrer religiösen Haltung war Sr. Martha selbständig und bildete sich ein eigenes Urteil über die Dinge. Bis zuletzt pflegte sie treu die geistliche Lesung und war eine eifrige Kundin in unserer Klosterbibliothek. Ein Herzensanliegen war ihr die Verehrung des Heiligen Geistes. So scheint es mir wie ein Zeichen des Himmels, dass Sr. Martha in der Morgenfrühe des Pfingstsonntags heimgehen durfte.
Liebe Schwestern und Brüder!
Viele Menschen betrachten den Tod mit Schrecken und suchen auch nur den Gedanken an ihn zu verdrängen. Ein Sterben wie das von Sr. Martha wirkt da tröstend und ermutigend: „Ich sterbe nicht, ich gehe einfach so hinüber.“ Wer recht gelebt hat, braucht vor dem Tod keine Angst zu haben. Selbst wenn es nicht ohne Schmerzen abgeht, nicht ohne einen Einbruch der leiblichen Kräfte: Unser Sterben fügt sich ein in den großen Horizont unseres Lebens, das seinen Ursprung in Gottes Hand nahm und das nun zu ihm zurückkehrt.
„Selig die Toten, die im Herrn sterben ... sie sollen ausruhen von ihren Mühen; denn ihre Werke begleiten sie“, ruft der Seher von Patmos aus (Offb 14,13). Und aus dem Munde Jesu wird seine treue Dienerin Martha nun gewiss Worte hören wie die: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele“ (Mt 25,13). In dieser Stunde des Abschieds beten wir voll Zuversicht für unsere heimgegangene Mitschwester und empfehlen zugleich uns ihrem Gebet.
Beim Firmvorbereitungstag der 6. Klassen in der Maria-Ward-Realschule Neuhaus am Inn, vorbereitet von der Fachschaft Religion (Konrektorin Astrid Schmid, Stefan Zauner, Jutta Pregler, Pfr. Dr. Hans Würdinger) waren am 28. Mai auch Diakon Josef Gruber aus Simbach am Inn (Entwicklungshelfer, Familienberater) und Sr. M. Veronika zur Mitgestaltung eingeladen.
M. Bernarda und Sr. Paula fuhren am 29.5. nach Obernzell. Die dortige Gemeinschaft feierte gleich mehrere Jubiläen: „Schwestern vom Heiligsten Heiland“ begannen vor 90 Jahren ein segensreiches Wirken in Neidberg, verlegten ihr Provinzhaus vor 80 Jahren nach Obernzell und errichteten vor 50 Jahren das Altenheim St. Josef. Nun kehren sie zum Ursprung zurück, d.h. sie fusionieren mit der Kongregation der „Schwestern vom Göttlichen Erlöser“ (Niederbronner Schwestern). Ein mutiger Schritt, der den Schwestern – so hoffen wir mit ihnen – eine neue Perspektive schenken wird.
Aus unserem Oblatenkreis nahmen Fr. Hellhake, Fr. Schormann, teilweise auch Fr. Gerold und Fr. Hrasky, und Sr. M. Veronika an der Oblatentagung teil, die von 2. – 5. Juni in St. Ottilien stattfand.
Am 9.6. kam der Seniorenclub von Hutthurm im Rahmen seines Ausflugstages zu einer Kirchenführung zu uns.
Eine ganz besondere Freude machte uns der Besuch von elf Dillinger Franziskanerinnen aus Hohenwart mit Pfarrer Gumbiller, die uns am Nachmittag des 13.6. als letzte Etappe ihres Konventausflugs ’auf den Spuren Benedikts’ gewählt hatten. Seit langer Zeit sind wir miteinander in Verbindung, da Sr. Michaela Speckner, die die Gesamtleitung der Einrichtungen in Hohenwart (Regens-Wagner-Stiftung) 20 Jahre lang inne hatte und nun zur neuen Provinzoberin gewählt wurde, weitläufig sowohl mit unserer zweiten Äbtissin M. Michaela, als auch mit Sr. Fortunata (+1997) verwandt ist. Schon manche von uns fand zur Erholung liebevolle Aufnahme in Hohenwart. Und so freuten wir uns jetzt umso mehr, auch einmal Gastgeberinnen sein zu können, zu Kaffee und Kuchen, einer Hausführung und der zum Abschluß gemeinsam gesungenen Vesper.
Am 15.6. wurden in der Infirmerie in einer dritten und letzten Etappe alte Holz-Fenster und -Balkontüren gegen neue aus Kunststoff ausgetauscht. Wir versprechen uns davon im Hinblick auf die nächsten Winter eine erhebliche Verbesserung der Wärmedämmung. Und damit sollte dann auch ein deutliches Mehr an Behaglichkeit und Wohlbefinden für die Schwestern verbunden sein, die ständig auf der Krankenstation wohnen. Das sind derzeit Sr. Columba, Sr. Bonifatia, Sr. Ulrika und Sr. Gertrudis, nicht zu vergessen unsere Ida!
Sr. Adelgundis, Sr. Veronika und Sr. Paula nahmen am Samstag, 20.6., am Ordenstag unseres Bistums teil. Er fand diesmal statt in der Benediktinerabtei Niederalteich und bei den benachbarten Ursulinen. Das Vormittagsprogramm wurde eingeleitet durch einen Vortrag von Prof. Dr. Erich Garhammer zum Thema „Kirche als Raum der Begegnung, und zwar der Orden untereinander und darüber hinaus.“ Anschließende Gruppenarbeit und das abschließende Plenum ergänzten und vertieften die hilfreichen Ausführungen. Nach dem Gebet der Sext in der Nikolauskirche wurde das Mittagessen eingenommen. Danach konnte verschiedene Angebote wahrgenommen werden, von der Kirchenführung bis zum Besuch des Klosterladens. Ein intensiver Tag voller schöner Begegnungen!
Die Jahresversammlung unseres Herz-Jesu-Hilfsvereins fand heuer am 21.6. statt. Leider war sie nicht ganz so gut besucht wie die im Vorjahr, aber mit Prof. em. Dr. Otto Betz war wieder ein hervorragender Referent gekommen, dem alle Anwesenden gerne und mit Gewinn zuhörten. Im ersten Teil dieses Boten finden sie eine Zusammenfassung seiner lohnenden Ausführungen zum ’Geschenk der Zeit’. Übrigens kann der Jahresbeitrag, dessen Erhöhung bei der letzten Versammlung angedacht worden war, weiterhin bei € 5,- bleiben.
Univ.-Prof. em. Dr. Klaus Berger aus Heidelberg sprach am Abend des 29.6. im Haus Spectrum Kirche in Passau zur Wirkungsgeschichte der Paulinischen Theologie. Der sehr gut besuchte Vortrag bildete mit einem vorangehenden Festgottesdienst einen Beitrag zum Abschluß des Paulus-jahres, das Papst Benedikt ja am 29.6.2008 eröffnet hatte. Prof. Berger kam aus der Fülle seines reichen Wissens schöpfend vor allem auf die Rechtsfertigungslehre, das Begriffspaar Fleisch/Geist, die Eucharistie, das Verhältnis von Individuum zur Gemeinde und auf die Charismen zu sprechen. Sr. Teresa und Pater Augustinus freuten sich, an dieser ausgezeichneten Veranstaltung teilnehmen zu können.
Ende des Monats mussten sowohl Sr. Gertrudis, als auch Herr Hußl, unser Oblate, der im Haus St. Benedikt eine Wohnung hat, für mehrere Tage ins Krankenhaus. Unsere Schwester Wendelina selig würde sagen: Man soll halt nicht alt werden! Da wir uns das aber nicht aussuchen können, ist man doch für alles dankbar, was Linderung von Beschwerden verschafft!
Sr. Paula wiederholte am 4. Juli die Nachmittagsveranstaltung zum Thema ’Patientenverfügung’. Die schwierige Thematik hat durch den jüngsten Gesetzeserlass dazu noch an Brisanz gewonnen. So ist es dringender denn je, eine eigene, ausdrücklich christliche Position dazu zu beziehen!
Zusammen mit Dekan Alois Anetseder (Karpfham) besuchten uns die Pfarrsekretärinnen des Dekanates Passau-Süd am selben Nachmittag. Mit viel Interesse ließen sie sich von Sr. Teresa die Kirche zeigen und folgten dem anschließenden Diavortrag sehr aufmerksam. Möge der kleine Einblick in unser Leben sie bei ihrem Dienst in den Gemeinden bestärken!
Am 15.7. feierten vier der fünf diesjährigen Primizianten unseres Bistums mit uns das Konventamt. Die Gelegenheit, anschließend auch noch einzeln den Primizsegen zu empfangen, wurde sehr gerne genutzt. Betend bleiben wir den jungen Priestern verbunden und erbitten ihnen Gottes Kraft und Segen für ihr kommendes Wirken im Dienst der Kirche.
Unsere Oblatin Frau Mendoza bot vom 18. bis 24.7. ein Sommerseminar unter dem Leitwort „Abschalten und Auftanken“ an. Es ging dabei um den Themenkreis Erwartungen. Was erwarten andere Menschen von uns? Was erwartet Gott von uns? Wie können wir diese Erwartungen in Übereinstimmung bringen und dabei selber Lebensfreude gewinnen? Die Vortragsreihe wurde ergänzt durch Diskussionen und Kurzausflüge an den Nachmittagen.
Eine Gruppe von Rad-Wallfahrern aus der Pfarrei St. Wolfgang in Regensburg machte bei uns am 24.7. kurz Station auf ihrem Weg an den Wolfgangssee in Österreich. Eine beachtliche Leistung!
Tags darauf waren es Mitglieder des Frauenbundes aus Haarbach, die sich für unser Leben hier in St. Gertrud interessierten. Kirchenführung und Diavortrag nahmen sie gerne wahr.
Am 25.7. verabschiedete sich Sr. Katharina von uns. Nach reiflicher Überlegung hat sie aus persönlichen Gründen um die Exklaustration gebeten. Unser Gebet begleitet sie auf ihrem weiteren Weg.
Wie schon in den Vorjahren, so bot auch in diesem Sommer Kapuziner-Pater Guido Kreppold (Eichstätt) wieder ein Seminar vom 1. bis 6. August an. Unter dem Titel ‚Einkehr zur Lebensmitte - Selbsterfahrung mit Träumen‘ begleitete der Priester und Psychologe zusammen mit Frau Maria Bleistein (Aschaffenburg) die Teilnehmerinnen durch intensive Tage.
Da die Pfarrgemeinde Tettenweis seit Kurzem ohne Pfarrer ist, erklärten wir uns bereit, alle zwei bis drei Wochen eine Abendmesse anzubieten. Das war bereits am 22.7. und am 5.8. der Fall. Dabei experimentieren wir noch mit verschiedenen Möglichkeiten, unsere Tagesordnung zu den jeweiligen Terminen entsprechend umzustellen. Keine der Lösungen ist ganz befriedigend, aber noch ist das letzte Wort dazu ja nicht gesprochen.

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Liebe Angehörige, liebe Vereinsmitglieder, Wohltäter und Freunde unserer Abtei, liebe Schwestern und Brüder!
Mehr als die Hälfte des Jahres 2009 liegt schon wieder hinter uns. Es ist bereits jetzt ein Jahr der Krisen, sowohl in Wirtschaft und Politik, als auch in der Kirche insgesamt.
Mit unserem Auszug aus der Chronik lassen wir Sie wieder teilhaben an dem, was uns in den vergangenen drei Monaten bewegt hat.
„Seht, in seiner Güte zeigt uns der Herr den Weg zum Leben.“ Dieses Wort steht über diesem Jahr. An den Sonntagen singen wir in den Laudes Ps 147, ein Danklied: „Gefallen hat der Herr an denen, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen.“ Und im 3. Vers heißt es: “Er heilt, die gebrochenen Herzens sind – und das sind wir alle – Er verbindet ihre (unsere) Wunden. Wir wollen nicht aufhören, auf den Herrn zu hoffen, auf ihn zu warten inmitten aller Not, die uns umgibt und die auch oft genug in uns ist.
Ihnen allen, wie immer, ein herzliches Vergelt´s Gott für Ihre Gaben und vor allem für Ihr Gebet für uns. Im fürbittenden Gebet sind wir miteinander verbunden.



Ihre dankbare

M. Bernarda Schmidt OSB

Äbtissin