St. Gertrudisbote

66. Jahrgang - September 2011



‘Dein Angesicht, Herr, will ich suchen‘ (Psalm 27,8)

- Von der Ursehnsucht des Menschen, Gott zu schauen –
Vortrag von Msgr. Dr. Bernhard Kirchgessner, Passau
bei der Jahresversammlung unseres Herz-Jesu-Hilfsvereins e.V.

1. Von der Ursehnsucht des Menschen, Gott zu schauen
Spurensuche in der Heiligen Schrift

Was der Mensch – aus welchen Gründen auch immer – nicht schauen kann, das regt seine Neugierde und Phantasie an und lässt ihn nicht mehr los. So erklärt sich wohl auch der Urwunsch des Menschen, Gott schauen zu dürfen. „Ich aber will in Gerechtigkeit dein Angesicht schauen, mich satt sehen an deiner Gestalt, wenn ich erwache“, so hofft der Beter in Psalm 17. Der Wunsch, Gott schauen zu dürfen, gehört dem Alten Testament zufolge zu den Urwünschen und Ursehnsüchten des Menschen. Psalm 42 bekennt dies in einer metaphorischen Sprache. „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele Gott nach dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen“? Das AT lehrt, dass es dem Menschen nicht möglich ist, Gott zu schauen, ohne sterben zu müssen. Wenn Gott im ersten Bund mit Menschen spricht – siehe Mose vor dem brennenden Dornbusch - dann verhüllt der Mensch sein Angesicht, weil „er sich fürchtete, Gott anzuschauen“. Ja, die Juden waren nicht einmal fähig, nach der Sinaibegegnung das Gesicht des Mose zu betrachten, weil es Gottes Herrlichkeit gleichsam reflektierte. Gott zu Lebzeiten zu schauen war in den Augen des frommen Juden ohne sterben zu müssen nicht möglich. Nur Gott konnte diese Gunst gewähren, nur auf sein Wort hin konnte der Mensch ihn schauen. Die Psalmen lehren dies eindrücklich. „Wer rechtschaffen ist, darf sein Angesicht schauen“, so Psalm 11. Und Psalm 84 bekennt von den gerechten Juden, die sich auf Wallfahrt nach Jerusalem befinden, dass sie am Ziel ihrer Reise in Jerusalem Gott auf dem Zion schauen dürfen. Wer sich glücklich preisen darf, Gott in seinem Leben wenigstens für einen kurzen Augenblick geschaut zu haben, muss sich nach Paulus bewusst sein, dass er gleichsam in einem Spiegel nur schemenhafte Umrisse erkennen konnte, die eigentliche Gottesschau aber noch aussteht. „Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, wie auch ich durch und durch erkannt bin.“ Dass diese Schau noch aussteht, bekennt Paulus auch im zweiten Korintherbrief, wenn er die Christen der griechischen Hafenstadt daran erinnert, dass sie ihren Weg als Glaubende, nicht etwa als Schauende gehen. Das geht auch mit der Überzeugung des Evangelisten Johannes konform, wonach niemand je Gott geschaut hat. Gottes Antlitz schauen zu dürfen gilt gleichsam als Belohnung Gottes, als Ausdruck einer sehr innigen Gottesbeziehung, ja, als höchste Form der unio mystica, des auf geheimnisvolle Weise Einswerden mit Gott; so werden jene selig gepriesen, die ein reines Herz haben; ihnen wird verheißen, Gott schauen zu dürfen. Das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung des Johannes, bezeugt, dass alle, die Einlass im himmlischen Jerusalem finden, der Gottesschau gewürdigt werden. „Sie werden sein Angesicht schauen und sein Name ist auf ihre Stirn geschrieben.“
2. Das Antlitz Christi schauen – Höchste Form der unio mystica
Ein Blick in die Spiritualitätsgeschichte
2.1 Gotteserkennntis bei Bernhard von Clairvaux

In der Mönchs-Spiritualität des Bernhard von Clairvaux spielt die Selbsterkenntnis eine ganz zentrale Rolle. In der 37. Predigt zum atl. Hohenlied der Liebe sagt Bernhard zu seinen 700 Mönchen: „Ihr erinnert euch also, dass ich eure Zustimmung für meine Meinung besitze, niemand könne ohne Selbsterkenntnis gerettet werden.“ Und wenig später bekräftigt er: „Niemand, sage ich, kann ohne jene Erkenntnis gerettet werden, wenn er nur alt genug ist und die Fähigkeit zu erkennen besitzt... Du sollst daher dich erkennen, um Gott zu fürchten; und du sollst ihn erkennen, um ihn in gleicher Weise zu lieben.“ Selbsterkenntnis im bernhardinischen Sinne darf nicht mit der heutigen Rede der Selbstverwirklichung interpretiert, geschweige denn mit Selbstverhaftung übersetzt werden, die außerhalb ihrer selbst nichts und niemand anderen mehr wahrnimmt; nein, Selbsterkenntnis hat, um es in der Sprache der Mystik zu sagen, die Gottesschau zum Ziel, die unverhüllte Anschauung Gottes. Damit wird das Ziel von Bernhards Viererschritt noch einmal klarer: Selbsterkenntnis führt zur Gotteserkenntnis, Gotteserkenntnis zur Gottesfurcht und Gottesfurcht befähigt zur Gottesliebe. Die ungeschönte Erkenntnis seiner selbst hat also die unverhüllte Anschauung Gottes zur Folge.
Thomas von Aquin hat dies 1264 im Hymnus „Adoro te devote“ in die Worte gekleidet: „Jesus, den verborgen, jetzt mein Auge sieht, stille mein Verlangen, das mich heiß durchglüht: lass die Schleier fallen einst in deinem Licht, dass ich selig schaue, Herr, dein Angesicht.“ Anscheinend hatte Thomas damals bereits eine Vorahnung jenes Geschehens, das ihn kurz vor seinem Tod am Nikolaustag 1273 ereilte. Nach der Messfeier jenes Tages stellte Thomas jegliche Arbeit an seinen Schriften ein. Er wird mit der Erklärung zitiert: „Alles, was ich geschrieben habe, kommt mir vor wie Stroh im Vergleich zu dem, was ich geschaut habe.“
Bei Bernhard lautet diese Erfahrung so: „Du wärest nicht imstande, das mittagshelle und wunderbare Licht zu schauen, in dem ich wohne. Du hast nämlich gesagt: Sag mir, wo weidest du die Herde, wo lagerst du am Mittag? Doch das Eintauchen in die Wolken, der Eintritt in die Fülle des Lichtes, das Eintauchen in die Abgründe der Klarheit und das Wohnen im unzugänglichen Licht ist nichts für diese Zeit, auch nicht für den Leib. Das ist dir für das Ende aufgespart, wenn ich dich herrlich mache für mich, ohne Flecken, Falten und andere Fehler. Oder weißt du nicht, dass du, solange du in diesem Leib zu Hause bist, fern vom Licht lebst? Wie kannst du, die du noch nicht ganz schön bist, dich für fähig halten, die volle Schönheit zu schauen? Wie kannst du danach verlangen, mich in meiner Klarheit zu schauen, wenn du dich noch nicht kennst? Denn wenn du dich besser kennen würdest, wüsstest du bestimmt, dass du, beschwert mit dem verweslichen Leib, unmöglich die Augen erheben und auf jenen Glanz richten kannst, den zu sehen das Verlangen der Engel ist. Das wird dann geschehen, wenn ich erscheine, weil du ganz schön sein wirst, wie ich ganz schön bin; mir ganz ähnlich wirst du mich schauen, wie ich bin. Dann wirst du hören: „Ganz schön bist du, meine Freundin, kein Makel haftet an dir!“ Da der Mensch aber diesen Zustand in diesem Leben nicht erreichen kann, ergänzt Bernhard: „Nun aber bist du mir zwar teilweise ähnlich, teilweise aber auch unähnlich; sei deshalb zufrieden, mich teilweise zu erkennen. Achte auf dich selbst, suche nicht, was für dich zu hoch ist, und erforsche nicht, was für dich zu mächtig ist.“
Dann und wann aber, so wird aus Bernhards Ausführungen klar, wird Menschen schon in diesem Leben auf Grund der Gnade Gottes der Schleier gelüftet, und sie dürfen einen Blick auf das werfen, was sie im Leben der Auferstehung erwartet. In der 52. Predigt zum Hohenlied spricht dies Bernhard in sehr neutraler Form an, er spricht „von einem Glücklichen“, dem diese Erfahrung geschenkt wurde, scheut sich aber in bescheidener Zurückhaltung sich selbst zu nennen. „Auch in unserem Geschlecht fehlt es nicht an einem Glücklichen, der sich an diesem Geschenk erfreuen durfte und so in sich selbst die Erfahrung dieses beseligenden Geheimnisses gemacht haben. Sonst müssten wir der Schriftstelle, die wir behandeln, ganz ungläubig gegenüberstehen. Dort wird uns ja deutlich der himmlische Bräutigam vor Augen geführt, der sich mit großem Eifer für die Ruhe seiner Geliebten einsetzt und die Schlafende besorgt in seinen eignen Armen hält, damit sie nicht durch irgendeine Belästigung oder Unruhe aus ihrem süßen Schlummer geweckt wird. Ich kann mich nicht fassen vor Freude, dass sich jene Majestät nicht scheut, sich in einer so vertrauten und seligen Gemeinschaft zu unserer Schwäche herabzuneigen, und dass die höchste Gottheit es nicht ablehnt, eine Vermählung mit der Seele in der Fremde einzugehen und ihr die Zuneigung eines von glühender Liebe erfassten Bräutigams zu erweisen. So, ja so muss es ohne Zweifel im Himmel sein, wie ich auf Erden lese, und gewiss wird die Seele erfahren, was die Schrift sagt, nur dass diese gar nicht imstande ist, die Größe dessen auszudrücken, was die Seele dann wird fassen können, noch, was sie jetzt schon fassen kann. Was, meinst du, wird sie dort empfangen, wenn sie schon hier mit einer solch vertrauten Gemeinschaft beschenkt wird, dass sie sich von Gottes Armen umschlungen, an Gottes Brust gewärmt und von Gottes Sorge und Eifer behütet sieht, um von niemand aus ihrem Schlaf geweckt zu werden, bis sie von selbst erwacht?“
Zuvor hatte er in der 48. Predigt in ungemein schöner Sprache formuliert: “Es wird aber einmal Wirklichkeit werden, wenn die Schatten im aufgehenden Licht vergangen, ja gänzlich verschwunden sind, und die ewig klare und ewig dauernde Anschauung wird ihren Einzug halten. Dann wird nicht nur dem Gaumen ein süßer Genuss zuteil, sondern auch Sättigung dem Magen, und zwar ohne Überdruss.“ Welches starke Bild eines Mannes, der sein Leben lang unter chronischer Gastritis litt, sich vielfach sogar beim Chorgebet übergeben musste und schließlich an Magenkrebs starb!
Dass diese Schau bereits in diesem Leben anhebt, dass uns Gott gleichsam einen Vorgeschmack der künftigen Schau gewährt und uns die Möglichkeit anbietet, uns ins Schauen „einzuüben“, führt Bernhard in Sermo 61 ins Feld: „Jetzt möge er uns den Rücken seiner Gnade zeigen, um uns einst in Herrlichkeit das Antlitz seiner Würde zu zeigen. Erhaben ist er in seinem Reich, doch beglückend an seinem Kreuz. Bei dieser Schau möge er mir zuerst begegnen (Kreuz), bei jener Erfüllung schenken (Reich). „Du wirst mich mit Freude bei deinem Anblick erfüllen“ (Ps 15,11) heißt es. Beide Arten der Schau sind heilbringend, beide beglückend; doch die zweite zeigt dich in Herrlichkeit, die erste in Niedrigkeit; die zweite im Glanz, die erste in blasser Unscheinbarkeit.“
Am Ende der 69. Predigt gibt Bernhard den Blick in die Gottesschau frei, wie sie ihm offensichtlich bereits für kurze Augenblicke gewährt wurde. Nachdem er bereits längere Zeit gepredigt hat, kommt er mit den Worten zum Ende: „Die Predigt verlangt nach einem Ende; doch eines sage ich noch denen mit geistlicher Erfahrung unter euch; es ist wunderbar, doch wahr: Die Seele, die Gott schaut, sieht ihn nicht anders, als ob sie allein von Gott angeschaut würde. Deshalb sagt sie also mit Zuversicht, er neige sich ihr zu und sie sich ihm , da sie nichts anderes sieht außer sich und ihn. Gut bist du, Herr, zur Seele, die sich sucht. (Klg 3,25)! Du eilst ihr entgegen, umarmst sie, zeigst dich ihr als Bräutigam, wo du doch der Herr, ja Gott bist, der über allem steht. Dir sei Lobpreis in Ewigkeit. Amen.” In einer seiner letzten Predigten (72) wird Bernhard nochmals konkret, ja, er geht geradezu dazu über, diesen Zustand zu beschreiben. “Und gewiss bleibt nichts mehr zu tun übrig, wenn alles vollends getan ist: Zum Schluss wird Genießen bleiben, nicht Geschehen; Erfahren, nicht Tätigsein; vom Willen Gottes leben, nicht in ihm sich üben.” Was Bernhard sagt, klingt glaubwürdig und völlig authentisch; wie er es sagt, macht neugierig und sehnsüchtig auf dem geistlichen Weg Stufe um Stufe voranzuschreiten. Dazu ermutigt der Abt von Clairvaux, genau deshalb sind seine Hoheliedpredigten wie seine Sentenzen und Traktate von einer „Dynamik“ erfüllt, die in Bezug auf das geistliche Leben von einem „Fortschrittsdenken“ erfüllt ist. Ein Stehenbleiben gibt es für Bernhard nicht; ein Sich-mit-dem-Erreichten-zufrieden-Geben kommt für ihn nicht in Frage, denn es würde nicht nur Stillstand, sondern Rückschritt bedeuten. Am Ende des Weges, den zu beschreiten wir uns angeschickt haben, wartet auf uns die unverhüllte Schau Gottes. Wir werden Gott schauen, wie er ist, wir werden genießen, werden die Liebe Gottes genießen, die nie mehr endet.
2.2 Teresa von Avila und die Eine Spiritualität des Schauens
Eine ausgeprägte Spiritualität des Hörens und des Schauens findet sich auch bei Teresa von Avila (1518-1582). Wohl aufgrund ihrer Bekehrungsgeschichte wurde ihr das Hören und Schauen mit zunehmendem Alter wichtig. Ihre Bekehrung datiert sie in die Fastenzeit 1554, als sie bereits 39 Jahre zählte, davon hatte sie zu jenem Zeitpunkt bereits 18 Jahre im Kloster verbracht. Dieses Ereignis schildert sie wie folgt: „Da geschah es mir, dass ich eines Tages beim Eintritt in den Gebetsraum ein Bild sah, das man zur Verehrung dorthin gebracht und für ein Fest, das im Haus gefeiert wurde, aufgestellt hatte. Es war das Bild eines ganz mit Wunden bedeckten Christus und so andachterweckend, dass es mich beim Anblick zuinnerst erschütterte, ihn so zu sehen, denn es stellte gut dar, was er für uns gelitten hatte. Das, was ich empfand, weil ich mich für diese Wunden kaum dankbar gezeigt hatte, war so gewaltig, dass es mir war, als würde es mir das Herz zerreißen. Aufgelöst in Tränen warf ich mich vor ihm nieder und flehte ihn an, mir ein für allemal die Kraft zu geben, ihn nicht mehr zu beleidigen“(9,1).
Teresa war dieses Ereignis Anlass, sich auf einen geistlichen Weg zu begeben. Auf diesem Weg erachtete sie die Stille als Voraussetzung, Gott hören zu können, und den gesammelten Blick, um ihn schauen zu können, als notwendig. Vor allem das Schauen Gottes ist ihr wichtig. „Ich bitte euch ja gar nicht, dass ihr an ihn denkt oder euch viele Gedanken macht oder in eurem Verstand lange und subtile Betrachtungen anstellt; ich will nicht mehr, als dass ihr ihn anschaut. Wer verwehrt es euch denn, die Augen der Seele immer wieder auf ihn zu richten – wenn auch nur so zwischendurch, wenn ihr mehr nicht fertig bringt? Wenn ihr schon ganz hässliche und widerliche Dinge anschauen könnt, könnt ihr dann nicht das Schönste anschauen, das man sich vorstellen kann? Wenn euch das nicht gut vorkommt, dann gebe ich euch meine Erlaubnis, dass ihr ihn nie wieder anschaut. Wenn schon dein Bräutigam seine Augen niemals von dir abwendet, Tochter, und von dir tausend hässliche Dinge und Ver-wünschungen gegen sich ausgehalten hat, und das nicht reicht, um seinen Blick von dir abzuwenden, ist es dann zuviel, dass du ihn ab und zu anschaust, nach dem du die Augen der Seele von den äußeren Dingen abgewendet hast? Schau, wie er zur Braut sagt, er erwartet nichts anderes, als dass du ihn anschaust. So wie du ihn gern hast, wirst du ihn finden. Ihm ist so sehr daran gelegen, dass du ihn immer wieder anschaust, dass es wegen einer Anstrengung seinerseits nicht ausbleiben wird.“
Gemäß Teresa von Avila findet derjenige auf den geistlichen Weg, der um die Notwendigkeit des Hörens und des Schauens weiss, der Stille halten und schauen kann. Dazu kann in unseren Tagen die Kunst einen wichtigen Beitrag leisten, denn sie setzt das Schauen Können voraus und korrespondiert somit mit unserem theologischen Anliegen. Die Seelsorger unserer Zeit tun daher gut daran, die Menschen im Sinne Teresas zur Stille hinzuführen, sie einzuführen und anzuleiten, damit sie das staunende Schauen und das schauende Staunen wieder lernen. Wenn sie wieder hören können, werden sie auch begreifen, wenn sie wieder sehen, werden sie erkennen, und wenn sie erkennen, begeben sie sich auf den Weg, der Quelle entgegen.
In ihrer Autobiographie kennt Teresa ein wunderbares Bild für so verstandenes „Schauen“. „Um nun aber auf diese Art des Verstehens zurückzukommen, so scheint mir, dass der Herr unbedingt möchte, dass die Seele einige Kenntnis von dem erhält, was im Himmel vor sich geht. Und ich glaube, so wie man sich dort versteht, ohne zu sprechen, so ist es auch hier, dass sich Gott und die Seele schon allein deswegen verstehen, weil Seine Majestät will, dass sie es versteht, ohne dass sich die Liebe, die diese beiden Freunde zueinander haben, durch einen sonstigen Kunstgenuss kundtun muss.“
Eine weitere Metapher Teresas vermag dies zu verdeutlichen. „So wie hier auf Erden, wenn sich zwei Menschen sehr gern haben und gut verstehen, es so aussieht, dass sie sich auch ohne Zeichen verstehen, nur indem sie sich anblicken. So muss es hier sein, denn ohne dass wir sehen wie, blicken sich diese beiden Liebenden fest in die Augen, wie der Bräutigam des Hohenliedes zur Braut sagte; wie ich glaube, gehört zu haben, steht das dort.“ Entweder Teresa war selbst einmal bis über beide Ohren verliebt, oder sie hat im Stadtpark von Avila junge Liebespaare beobachtet, die stundenlang miteinander spazieren gehen und neben einander sitzen können, ohne reden zu müssen. Weil sie sich lieben, verstehen sie sich kraft ihres liebenden Blickes auch ohne Worte. So, Teresa, ist es auch auf dem Weg des inneren Betens: der Mensch schaut Gott an und Gott schaut den Menschen an; da muss nicht viel gesprochen werden, denn mit beider liebender Blick ist bereits alles gesagt!
3. Heute das Antlitz Christi suchen
Im Vorwort zu Band I seines dreiteiligen Jesusbuches findet sich eine Bemerkung Papst Benedikt XVI., die mir von fundamentaler Bedeutung scheint. „Gewiss brauche ich nicht eigens zu sagen, dass dieses Buch in keiner Weise ein lehramtlicher Akt ist, sondern einzig Ausdruck meines persönlichen Suchens „nach dem Angesicht des Herrn.“ Damit klärt der Papst nicht nur den offiziellen Charakter dieses Jesusbuches, sondern bekennt en passant, dass sein langes und reiches Leben nichts anderes war und ist, als ein „Suchen nach dem Antlitz Gottes“. Das ist des Christenmenschen Ziel: Die unverhüllte Schau des Antlitzes Gottes! Genau hierin kann Papst Benedikt uns allen Vorbild sein, im entschiedenen Suchen des Antlitzes Gottes. Genau dazu möchte ich Sie eindringlich ermutigen: „Faciem tuam, Domine, requiram“ ist unsere Aufgabe, „Dein Angesicht, Herr, will ich suchen“ , verbunden mit der flehentlichen Bitte des Psalmisten: „Verbirg nicht dein Gesicht vor mir!“
© Msgr. Dr. Bernhard Kirchgessner

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Aus unserer C H R O N I K :

Am 9. Mai begannen die Arbeiten zur Einrichtung einer neuen Krippengruppe in unserem Kindergarten.
Sr. Veronika und Sr. Magdalena nahmen von 12. bis 17.5. an der letzten Einheit des Intensivkurses Gregorianischer Choral unter Leitung von Prof. Göschl in St. Ottilien teil. Einen krönenden Abschluss fand die sich über drei Jahre erstreckende Fortbildung im Besuch der Stiftsbibliothek St. Gallen. Dort hatten die Kursteilnehmer die seltene Gelegenheit, die Choralnotation der berühmten St. Gallener Handschriften im Original betrachten zu können.
Die Fachtagung der Cellerarinnen der monastischen Frauengemeinschaften in Deutschland fand von 23. bis 27.5. in der Zisterzienserinnenabtei St. Marienthal in Ostritz (Sachsen) statt. Die 31 Teilnehmerinnen, unter ihnen als Organisatorin Sr. Teresa, befassten sich mit Fragen des Arbeitsrechts, der Öffentlichkeitsarbeit und des Steuerrechts. Auch stand am letzten Nachmittag eine Exkursion in die Abtei St. Marienstern (Panschwitz-Kuckau) auf dem Programm.
Am 28.5. versammelten wir alle uns zu Kaffee und Kuchen im Saal. Eingeladen hatte unsere gehörlose Mitarbeiterin Johanna Rossmeissl, die so mit uns ihren 50. Geburtstag feierte! Dazu gratulierten wir ihr mit einer Powerpoint-Präsentation, von Sr. Paula schön zusammengestellt aus Bildern ihrer Arbeitsbereiche.
In der Woche vor Pfingsten zog der Stepperei-Laden in die frisch umgebauten und renovierten Räume des ehem. Buchladens um. Damit endete der erste Bauabschnitt im Rahmen der Maßnahme ‘Schaffung von Krippenplätzen im Kindergarten St. Gertrud‘.
M. Bernarda war von 8. bis 10. Juni beim Äbtissinnentreffen unserer Föderation, das diesmal in der Abtei Nonnberg in Salzburg stattfand. Dabei ging es, nach den üblichen Berichten aus den Gemeinschaften, um Tagesordnungen und Hausbräuche.
In Begleitung von Frau Erika Förster und Frau Lydia Hrasky nahm Sr. M. Veronika von 14. bis 17.6. an der alle zwei Jahre stattfindenden Oblatentagung in St. Ottilien teil.
Am 25.6. lud die Arbeitsgemeinschaft der Orden im Bistum Passau wieder zu einem Ordenstag ein. Gastgeberinnen der Veranstaltung, die von ca. 70 Schwestern, Brüdern und Patres besucht wurde, waren die Schwestern vom Heiligen Kreuz in Altötting. Den Impulsvortrag am Vormittag hielt Pater Jan Hulshof sm, ein Marist aus den Niederlanden. Das ihm gestellte Thema lautete: „Marias Verlust – Marias Gewinn – Zeichen für uns“. Aus den vielfältigen Verlusterfahrungen der Gottesmutter, vom Aufgebenmüssen des eigenen Lebensentwurfes bis hin zum Tod ihres Sohnes am Kreuz, erwuchs Maria ein unerwarteter Gewinn: Sie wird zu Gottes Mitarbeiterin, schließlich gar zur Mutter aller Glaubenden. Auch für unseren je persönlichen Glaubensweg lassen sich daraus wertvolle Grundwahrheiten ableiten: Wer um Gottes Willen verliert, der gewinnt! Sr. Teresa und Sr. Paula kehrten von diesem Tag beschenkt und bereichert auch durch die zahlreichen Begegnungen nach Hause zurück.
Am selben Tag wurden im Passauer Dom drei junge Männer zu Priestern geweiht. Wir begleiteten sie mit unserem Gebet und hoffen, dass der Segen Gottes für sie immer spürbar bleibt.
Tags darauf, am Sonntag, 26.6., gab es wieder Anlass zu dankbarer Freude: Unser Bischof Wilhelm Schraml feierte das goldene Priesterjubiläum, das silberne Bischofsjubiläum und den zehnten Jahrestag der Ernennung zum Bischof von Passau. Obendrein war der 26. auch noch sein Geburtstag! Zu diesem Fest waren mit vielen anderen auch M. Bernarda und Sr. Andrea eingeladen: Zunächst fand im Stephansdom eine Eucharistiefeier statt, bei der Kardinal Meisner aus Köln predigte, dann folgten Empfang und Gratulation im Domhof. Wir wünschen dem Jubilar auch für die Zukunft Gottes Segen und Geleit!
Die Benediktinerinnen der Anbetung in Neustift luden zur Eröffnung und Segnung ihres „Spirituellen Klostergartens“ am 2. Juli ein. M. Bernarda, Sr. Adelgundis, Sr. Bonaventura und Sr. Magdalena interessierten sich dafür und waren sehr beeindruckt von dem Schönen, das dort entstanden ist. Generalpriorin Helene Binder sagte: „Hier geschieht Begegnung mit der Natur. Man kann zu Gott und zu sich selber finden.“ Der musikalisch hervorragend gestalteten Vesper in der Klosterkirche (mit Saxophon-, Orgel- und Gesangsoli) folgte die Segnung des Gartens durch Altabt Christian Schütz OSB. Er meinte: „Dieser Garten ist ein Angebot, uns auf die Suche nach den Paradiesspuren zu begeben.“ Aufgegliedert ist der Garten in fünf Gedankeninseln. Zwei Keramik-Kunstwerke fallen ins Auge, die von der Eibinger Benediktinerin Sr. Christophora Jansen OSB geschaffen wurden.
Zur diesjährigen Vereinsversammlung am 3.7. konnten wir 35 Mitglieder begrüßen. Sr. Teresa führte in ihrem Rechenschaftsbericht aus, dass die Entscheidung im vorigen Jahr, den Beitrag auf € 10,- anzuheben, zum gewünschten Erfolg führte: Die Deckung der Unkosten ist nun durch die Mitgliedsbeiträge wieder dauerhaft gesichert. Nach dem geistlichen Impuls von M. Bernarda folgte dann der Vortrag von Herrn Dr. Kirchgessner, den wir mit seiner freundlichen Erlaubnis im ersten Teil dieses Botens abgedruckt haben.
Wie schon in den Vorjahren, so hatte unser Kindergarten auch dieses Jahr wieder zwei Praktikanten in den letzten beiden Wochen vor den großen Ferien: Im Rahmen des Projektes „Compassion“ (Sozialbildung) der Realschule in Neuhaus hatten sich ein Junge und ein Mädchen aus der neunten Klasse für unsere Einrichtung entschieden. Besonders bemerkens-wert: Meike Brattinger ist passionierte Einradfahrerin und nicht nur mehrfache deutsche Meisterin, sondern sie errang bei den Weltmeisterschaften in Wellington auf Neuseeland 2010 sogar einen vierfachen Weltmeistertitel in der Altersklasse U15. Am vorletzten Tag brachte sie ihr Sportgerät mit in den Kindergarten und begeisterte nicht nur die Kleinen durch ihr großes Können!

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Liebe Angehörige, liebe Vereinsmitglieder, Wohltäter und Freunde unserer Abtei, liebe Schwestern und Brüder!
„Dein Antlitz, Herr, will ich suchen.“ „Sucht mich, so werdet ihr leben“ (Am 5,4). Benedikt lässt an jeden, der eintreten will, die Frage stellen, ob er wahrhaft Gott sucht (RB 58). Letztlich kann ich aber nur etwas suchen, von dem ich weiß, dass es das gibt. Suchen kann ein Leben lang dauern. – Ein anderes Bild für die beständige Gottsuche ist für mich ein Wort von Alfred Delp SJ: „Gott ist ein Brunnen in uns.“ Wenn ein Brunnen nicht genutzt wird, versiegt er, d.h. wir müssen ihn stets neu auf-suchen und daraus schöpfen.
Eine „Brunnengeschichte“ steht in Gen 26.14-25. Auch der Brunnen in uns kann verstopft werden von anderen und oft von uns selbst. Isaak ließ sich nicht entmutigen – er grub neu. Wir reifen – nicht so, indem wir immer größer und stärker werden, sondern indem wir auf den Herrn schauen, Ihm vertrauen.
Liebe Angehörige, liebe Vereinsmitglieder, Wohltäter und Freunde, liebe Schwestern und Brüder, in einer Zeit, in der so vieles einzustürzen droht, wünsche ich uns allen die Beharrlichkeit, nicht aufzuhören, das Antlitz Gottes zu suchen und an Ihm festzuhalten.



Ihre dankbare

M. Bernarda Schmidt OSB

(Äbtissin)