72. Jahrgang

 

September 2017

 

        

 

 

 

Im März-Boten haben Sie im ersten Teil Überlegungen unserer Schwester M. Veronika über das Beten gefunden. Mit dem nachfolgenden Beitrag wollen wir diesen Faden wieder aufgreifen und uns dem Psalmen-Gebet zuwenden. Dazu hat uns dankenswerter Weise Schwester Theresia Heither OSB aus der Abtei Mariendonk einen wertvollen Beitrag zur Verfügung gestellt. Wir freuen uns, ihn in dieser Boten-Ausgabe abdrucken zu dürfen, und wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!

 

 

 

Die Psalmen als tägliche Nahrung

 

 

 

Die Psalmen als Gebet der Kirche

 

Für manche Zeitgenossen  sind die Psalmen sehr fremd, und das liegt zum größten Teil daran, dass das Leben des Menschen, wie die Psalmen es spiegeln, sich in anderen Koordinaten bewegt. Was ich damit meine, ist Folgendes: Die Psalmen sprechen von Gott und vom Menschen in einer anderen Weise, und das nicht nur in ihrer Ausdrucksweise, sondern auch inhaltlich, als wir es gewöhnlich heute tun. Es ist lohnend, sich das im Ein-zelnen vor Augen zu führen. Zum Bewusstsein kam und kommt mir immer wieder diese Tatsache, weil wir in Mariendonk ein neues Projekt begonnen haben; wir wollen einen Kommentar zu den Psalmen aus den Werken der Kirchenväter erstellen.

 

Der Psalter ist nach der Auffassung der Väter eine Zusammenfassung der gesamten Heiligen Schrift, ich betone, auch des Neuen Testamentes, denn auch Christus und das Geschehen seiner Menschwerdung und Erlösungstat wird in den Psalmen prophetisch im Voraus besungen. Wenn uns die Psalmen als fremd und unverständlich erscheinen, kann das auch daran liegen, dass wir uns in unserem Lebensgefühl von der Schrift weit entfernt haben. Unser Leben sieht ja auch sehr anders aus als das Leben im Umkreis der Bibel, andererseits ist die Schrift maßgebend für unser Mensch-sein und besonders für unsere Beziehung zu Gott.

 

Vielleicht müssen wir uns in unserem Bild von Gott und vom Menschen korrigieren lassen oder auch bisher nicht Gesehenes in den Blick nehmen. Denn es geht bei den Psalmen um inspirierte Texte, also um Offenbarung, nicht beliebige Ausdrucksformen der Frömmigkeit. Dieses Wort steht über uns, es wird von uns nicht angewandt oder benutzt, sondern es hat die Kraft, uns zu prägen und zu gestalten. Als Psalmenbeter haben wir die Chance und die Aufgabe, uns selbst, unsere Freude und unser Leid, unsere Sehnsucht und unsere Angst vor Gott zu bringen, ja, sie erst einmal über-haupt in ihrem Wesen zu verstehen und so Antwort zu werden, nicht nur mit unserem eigenen Leben, sondern als Kirche, die stellvertretend für die ganze Menschheit vor Gott steht.

 

Die Kirche hat vom Volk Israel das Beten gelernt. Sie ist in sein Gebet ein-getreten, was ja allein schon dadurch ersichtlich ist, dass sie die Psalmen als ihr wesentliches Gebet vollzieht. Oft finden wir diese Wahrheit auch in einer bildlichen Weise dargestellt: Die Mutter Anna lehrt ihre Tochter Maria das Lesen und Beten. Maria aber hat sicherlich Jesus das Beten ge-lehrt, und er hat mit seinen Jüngern die Psalmen gebetet und uns in seinem Gebet eine Zusammenfassung ihres gesamten Inhalts gegeben. Wir müssen diesen Weg des Gebetes mitvollziehen, denn wir werden durch die Taufe in die Gemeinschaft der Kirche einbezogen und haben damit auch Anteil an ihrem Beten, das uns hilft, das richtige Beten zu lernen.

 

 

 

Beten lernen

 

Der Philosoph R. Schaeffler beschreibt die Schwierigkeit des kirchlichen Gebetes: „Seit der Liturgiereform in der römisch-katholischen Kirche ist der Ermessensspielraum zur Gestaltung liturgischer Formen, darunter auch Sprachformen, größer geworden. Um nun von diesem Ermessensrahmen einen sinnvollen Gebrauch machen zu können, bräuchte man Kriterien, nach denen man entscheiden kann, ob man überlieferte Formen der Gebets-sprache beibehalten, ob man neue Formen an deren Stelle setzen soll - und welche. Die Erfahrungen, die ich nun gemacht habe, machen mich skep-tisch hinsichtlich der Frage, ob dafür hinreichend genaue Kriterien zur Verfügung stehen. Ich habe den Eindruck, dass in sehr vielen Fällen die sogenannten ‚frei formulierten Gebete‘, die beispielsweise bei der Er-öffnung des Gottesdienstes, bei den Fürbitten vor Beginn der Opfer-bereitung, aber auch an anderen Stellen im Gottesdienst verwendet werden, nicht immer der Eigenart dessen gerecht werden, war wir tun, wenn wir beten.  Ich habe sogar den Eindruck, dass dies in schmerzlich vielen Fällen nicht geschieht. Es scheint also an Kriterien zu mangeln.  Und dies zeigt sich darin, dass uns, wenn wir neu und frei formulieren wollen, eine ge-eignete Sprache des Gebets nicht zur Verfügung steht. Vielleicht haben wir noch nicht genügend beachtet, was es für jede Weise des Sprechens be-deutet, in welcher Form wir sprechen; nicht in jeder Sprache ist alles sagbar. Wir haben vielleicht noch nicht genügend bemerkt, was von der Form, wie wir beten, für den Inhalt dessen abhängt, was im Gebet zum Ausdruck gebracht werden kann und soll“[1]. Es wäre schade, wenn wir die Chance nicht nutzen, in den Psalmen zu lernen, wie wir beten können.

 

Jedes Gespräch, jeder persönliche Kontakt, jede Beziehung kommt nur zu-stande, wenn ich weiß, wer ich bin, und den anderen in etwa kenne oder kennenlerne, um ihn als Person anzunehmen. Es gibt das Gespräch zwar in unterschiedlicher Tiefe, die sich daran entscheidet, wie weit ich wirklich Ich und Du sagen kann. Buber sagt: "Der Mensch ist um so personhafter, je stärker in der menschlichen Zwiefalt seines Ich das des Grundwortes Ich-Du ist"[2]. Je mehr wir personhaft sind, um so eher kann ein Gespräch statt-finden. Das gilt auch für das Gespräch mit Gott. Nun ist aber dabei eine Grundschwierigkeit für uns, dass wir Gott nicht kennen, seine Gedanken und seinen Willen nicht verstehen. Es gibt keine Sicherheit im Umgang mit ihm; unser Denken und Fühlen hilft uns nicht weiter; wir sind auf den Glauben verwiesen und auf die Selbstmitteilung Gottes in der Schrift.

 

Die eigentliche Hilfe für den, der sich nach dem Gebet als einer echten Begegnung mit Gott sehnt, ist das Wort, das ihm das Beten ermöglicht. Wir lernen beten, indem wir die Sprache des Gebetes sprechen lernen. "Jeder Lehrer, auf welchem Gebiet des Wissens oder der Lebenspraxis er auch tätig sein mag, ist immer zugleich auch Sprachlehrer; denn jedes Gebiet des Wissens und der Lebenspraxis hat seine eigene Sprache. Der Lehrer aber leitet den Schüler an, vom Nachsprechen vorgefertigter Formu-lierungen zu jener Fähigkeit überzugehen, die man ‚aktive Sprach-kompetenz‘ nennt. Diese Fähigkeit besteht darin, in einer erlernten Sprache und nach deren Regeln Ausdrücke zu formulieren, die dem Sprecher nicht vorgesagt worden sind, sondern die er neu entwirft. Der Sprecher soll ler-nen zu sagen, was keiner ihm vorgesagt hat; aber er kann dies nur in einer Sprache, die er von anderen gelernt hat"[3]. Das Lernen geht noch eine Stufe weiter, denn wenn man die Sprache so beherrscht, dass man selber eigen-ständig formulieren kann, dann erst ist man auch in der Lage, Texte, die man mit- und nachspricht, wirklich zu verstehen, sie als seine eigenen auszusprechen. Wer also die Gebetsworte sprechen lernt, die Gott uns gibt, die Psalmen, der lernt damit auch neue Möglichkeiten der Beziehung zu Gott. Wittgensteins berühmter Ausspruch: "Die Grenzen deiner Sprache sind die Grenzen deiner Welt" läßt sich auch hier anwenden. "Die häufig gehörte Klage: Ich kann nicht beten! beruht darauf, dass jene Welt zu einer fremden Welt geworden ist, in der diejenigen Wirklichkeiten nicht vorkommen, von denen im Gebet die Rede ist: die Herrlichkeit Gottes und seine Großtaten, das Heil des Menschen, das aus der Gnade Gottes stammt, das Unheil, in dem er sich immer schon findet, wenn er seine Hoffnung auf andere, irdische Retter setzt, die Seligkeit der Gottesnähe und die Verzweiflung der Gottesferne"[4]. Die Sprache der Psalmen zu erlernen ist deshalb notwendig, um zu verstehen, wozu Gott uns diese Worte gegeben hat. Ihm liegt an einer echten Beziehung zu uns.

 

 

 

Gottes Antlitz

 

Es geht also darum, Gott richtig anzusprechen und sein Antlitz zu suchen. Gottes Antlitz können wir nur finden, wenn er selbst es uns enthüllt, und das geschieht im Wort der Schrift. Augustinus hat gesagt: „Nimm die Schrift Gottes einstweilen für dich als Gottes Antlitz! Schmilz vor ihm dahin!“[5] Wenn wir aus der Beziehung zu Gott leben wollen, dann müssen wir immerfort sein Antlitz suchen (Ps 105(104),4), wie es im Psalm heißt. Tägliche Nahrung dieser Beziehung, alltägliche Nahrung, ja  das Grund-nahrungsmittel unseres geistlichen Lebens, unsere eiserne Ration sind die Psalmen. Es heißt im Deuteronomium: “Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt” (Dtn 8,3). Die Schrift vergleicht sich also selbst mit dem lebensnotwendigen Brot, und in gleicher Weise auch mit dem lebensnotwendigen Wasser, z.B.: “Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, der wird in Ewigkeit nicht mehr dürsten” (Joh 4,13). Wie könnten wir geistlich leben, d.h. in der Beziehung zu Gott  leben ohne dass er selbst diese Beziehung initiiert, indem er uns anspricht, uns sich selber mitteilt und sein Antlitz enthüllt. Gott ist der Lebendige, immer Überraschende, auch wenn wir die Psalmen ständig wiederholen, sind sie immer wieder ganz neu und zeigen uns ständig ein neues Antlitz Gottes. Das ist eigentlich nicht verwunder-lich, wenn wir gesagt haben, dass die Psalmen eine Zusammenfassung der ganzen Schrift sind. Wir lernen Gott in den Psalmen immer neu kennen, und manchmal trifft uns ein Wort, das Gott gerade in unserer augenblick-lichen Situation an uns zu richten scheint. Schon allein, wie wir Gott in den Psalmen ansprechen, zeigt uns wesentliche Züge seiner Beziehung zu uns. Sehr häufig nennt der Psalmist ihn ganz einfach: ‚Mein Gott!‘ In Psalm 22 heißt es ausführlicher: „Von Geburt an bin ich geworfen auf dich, vom Mutterleib an bist du mein Gott“ (Ps 22(21),11. Damit wird Gott gekenn-zeichnet als der, der mein Leben bestimmt, wie er sein Wesen selbst kenn-zeichnet, wenn er sich den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs nennt. Als sein Zeuge übernehme ich eine große Verantwortung. Gott wird in den Psalmen und in der Schrift des Alten Testamentes grundsätzlich durch sein Wirken charakterisiert, wenn man das menschlich gesprochen einmal so sagen kann. Er wird angesprochen mit dem, was er für mich tut oder getan hat. So ruft der Psalmist ihn an: Gott, mein Retter, mein Helfer, meine Burg, mein Heil, meine Ehre. Er spricht von Gottes Taten: Er hört und sieht mich, er sorgt für mich, er füllt mir reichlich den Becher, d.h. er erfüllt mein Leben mit Freude, aber auch: Er prüft mich auf Herz und Nieren, er zerschmettert meinen Feinden den Kiefer, er verweigert mir die Antwort, er hat mich verstoßen. Das sind nur wenige Einzelzüge herausgegriffen aus dem reichen Schatz dessen, was Gott uns von seiner Person in den Psalmen offenbart.

 

Es kommt darauf an, an welchen Gott wir glauben und mit welchem Gott wir sprechen möchten. Wenn wir an den biblischen Gott glauben, dann ist klar: Nicht wir nähern uns Gott, sondern Gott erschließt sich von sich aus, er legt sich selber aus in seinem Wort an uns, das von uns nie letztlich er-fasst werden kann. Es ist ein Zeichen der Begegnung mit dem wirklichen und wahren Gott, wenn wir auch seine erschreckende Größe erleben und die Furcht vor ihm, denn von dieser Furcht vor Gott ist in den Psalmen oft die Rede. Jedenfalls sollten wir keine eigene Auswahl treffen, sondern alle Psalmen als von Gott gegeben annehmen, um so in allen und jederzeit das Antlitz Gottes zu suchen.

 

Weil Gott selbst bezeugt hat, dass David der Mann nach seinem Herzen ist, können wir an David und seinen Worten in den Psalmen erkennen, wie Gott denkt und fühlt, um es einmal so menschlich auszudrücken, wie er selbst es ausgedrückt hat. Das Beten der Psalmen vereint uns mit Gott und seinem Wollen und Planen. Das drückt Hesychius in dem Satz aus: Gott gebraucht David als sein eigenes Herz[6].

 

(Schwester Theresia Heither OSB, Abtei Mariendonk)

 

 

 

Aus unserer  C H R O N I K :

 

        Von 18. bis 21. Mai konnten Schwester Teresa und Schwester Veronika an einem Choral-Kurs bei den Mitschwestern in Neustift teil-nehmen. Das war eine schöne Auffrischung und Anknüpfung an die Kurse, die unsere beiden Kantorinnen vor Jahren in St. Ottilien besuchen durften. Dabei ist ihnen Prof. Göschls Stil zum Inbegriff dessen geworden, wie sich Choral anhören „sollte“, was wir mit unseren bescheidenen Mitteln hier nicht erreichen, aber ein Ansporn bleibt er allemal!

 

        Danach (22. – 24.5.) war es Schwester Paula, die ihre Kenntnisse bei einer weiteren Folge des Palliativ-Care-Kurses im Juliusspital in Würzburg auffrischte und erweiterte. Auch sie ist dankbar für solche Gelegenheiten und alles, was sich am Rande solcher Tage an wertvollem Austausch ergibt. Kurz vorher ist ein Artikel von ihr über Sterbebegleitung im Kloster in der Zeitschrift ‘Lebendige Seelsorge‘ erschienen.

 

        Am 27.5. richtete die Arbeitsgemeinschaft der Orden in unserem Bistum einen Studientag in Altötting aus. Etwa 70 Ordensfrauen und Ordensmänner waren anwesend, als die katholische Religionsphilosophin, Frau Prof. Dr. Gerl-Falkovitz, zum Thema „Maria - die bekannte Unbe-kannte" über die Marienverehrung und deren Geschichte in der katho-lischen Kirche referierte. Sie ging von der Schriftstelle bei Jesus Sirach aus:  „Wer als Erster es erforschte, kam nicht ans Ende, ebenso wenig er-gründet es der Letzte" (Sir 24,28), und zeigte auf, wie Maria eine einzig-artige Stellung in der Kirche und auch der Menschheit hat. Maria wird in vielen Bildern gemalt, besungen und theologisch bedacht, kann jedoch nie erschöpfend betrachtet werden. Wenn auch unser biblisches Wissen über Maria spärlich ist, so ist die Sprache der Verehrung im Laufe der Ge-schichte reich und fast uferlos. Schwester Veronika, Schwester Paula und Pater Augustinus waren unter den beeindruckten Hörern und nahmen auch noch die Angebote am Nachmittag wahr: Führung im Kloster St. Konrad etwa – und natürlich durfte auch der Besuch der Gnadenkapelle nicht fehlen!

 

        Der Seniorenausflug des Pfarrverbandes Arnstorf unter Leitung von Pastoralassistent Martin Eibelsgruber besuchte uns am 1. Juni zu Kirchen-führung und Andacht. Schwester Teresa begrüßte die Gäste in unserem Namen und freute sich über das große Interesse.

 

        Aus verschiedenen Gründen wurde das österliche Oblatentreffen in diesem Jahr auf Pfingsten verschoben. So fanden sich – trotz der immer noch schwierigen Unterbringungsmöglichkeiten im Haus – vom 1. – 5.6. sechs Oblatinnen bei uns ein. Sie brachten wunderbare Beiträge zu ihrem Wunschthema „Älterwerden als geistliche Aufgabe“  mit, und wir verleb-ten frohe und intensive Tage. Wer sich selber in die Thematik vertiefen möchte, dem sei das Buch „Älter werden – weiterwachsen. Für eine er-füllte Spiritualität der späten Jahre“ von Altabt Fidelis Rupert von Münster-schwarzach zur Lektüre empfohlen. Natürlich lässt sich aus unserem Thema auch schließen, dass wir inzwischen alle in die Jahre gekommen sind. Über Neuzugänge im Oblatinnenkreis, egal ob mit älterem oder jüngerem Gesicht, würden wir uns sehr freuen.

 

        Am 21.6. starb im Krankenhaus Rotthalmünster unser Nachbar, Herr Rudolf Habermann sen. im Alter von 84 Jahren. In seiner Kindheit und Jugend gehörte er zur Schar der Klosterministranten. Und vielen unserer Gäste ist er als stets freundlicher Wirt im Gasthof zur Post gut bekannt. Seine letzten Lebensjahre waren überschattet von Krankheit und Alters-beschwerden, liebevoll betreut von seinem Sohn, der bis heute – wenn es seine Zeit erlaubt – ebenfalls an Festtagen bei uns ministriert (und oben-drein auch noch Orgel spielt!). Bei der Beerdigung am 24.6. vertraten Schwester Teresa und Schwester Paula unsere Gemeinschaft.

 

        Die Jahresversammlung unseres Vereins traf diesmal auf den 25.6. Als Referent stand uns dankenswerter Weise ein Mitbruder von Pater Augustinus zur Verfügung, der genau wie er der byzantinischen Dekanie der Abtei Niederaltaich angehört. Er sprach über die Erlösung, und das völlig frei! Es hätte sich mehr als gelohnt, diese wertvollen Ausführungen einem größeren Auditorium zu Gehör zu bringen. Immerhin können wir an dieser Stelle eine schriftliche Niederlegung der wichtigsten Inhalte folgen lassen, die Pater Ambrosius eigens für die Boten-Leserinnen und Leser angefertigt hat. Dafür sagen wir ihm auch an dieser Stelle noch einmal ein ganz herzliches Vergelt’s Gott!

 

 

 

 

 

Was bedeutet Erlösung?

 

Es wäre nicht zu hoch gegriffen, zu behaupten, dass die Soteriologie, also die Lehre von der Erlösung, das Herzstück christlicher Theologie ist.

 

Ex negativo formuliert bedeutet Erlösung zunächst Befreiung. Befreiung vom Bösen, von Sünde und schließlich vom Tod.

 

Ex positivo erschließt sich sodann die Bedeutung von Erlösung als Streben nach Heil und Leben. Dieses Streben begegnet uns bereits in der Heiligen Schrift, wo Jesus die Frage gestellt wird: „Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (Mk 10,17)

 

Die Antwort Jesu hierauf besteht zunächst in der Aufzählung der Gebote. Es sind dies die Gebote Gottes, die uns helfen wollen, ein gutes, ein heiles Leben vor Gott und mit den Mitmenschen zu führen. Verstoßen wir jedoch gegen diese Gebote, wird heiles Leben verhindert oder sogar zerstört. Da-durch wird deutlich, dass wir für die Heilung und die Heiligung unseres Lebens immer der  Barmherzigkeit Gottes bedürfen, der unsere Sünden vergibt und vor allem dort heilend eingreift, wo menschliches Versagen Schäden angerichtet hat, deren Bewältigung die menschliche Kraft letztlich übersteigt. Gerade deshalb ist das Bußsakrament von so großer Bedeutung: Denn hier greift Gott selbst direkt ein. Er vergibt uns unsere Sünden und schafft die Möglichkeit, dass durch Unrecht verursachtes Unheil in Heil verwandelt werden kann, und, viel mehr noch, dass der Sünder selbst heil wird. So kennen wir beispielsweise die Erfahrung, wie erleichternd und be-freiend es sein kann, wenn uns Schuld vergeben wird. Sei es von unseren Mitmenschen, sei es von Gott selbst, insbesondere in der sakramentalen Lossprechung von unseren Sünden, der Absolution.

 

Man mag sich nun allerdings fragen, ob sich die christliche Vorstellung von Heil darin erschöpft,  Gebote einzuhalten und im Bedarfsfalle die Tilgung des „Sündenregisters“ bei Gott zu erlangen. Wäre eine solche juridische Verengung des christlichen Heilsbegriffes nicht eine Reduktion des christ-lichen Glaubens auf ein ethisches bzw. moralisches System? Worin würde sich der christliche Glaube dann noch von anderen ethischen Lehren unter-scheiden?

 

Liest man die soeben zitierte Perikope aus dem Markusevangelium weiter, stellt man fest, dass die Aufzählung der Gebote allein den Fragesteller nicht zufrieden gestellt hat. Selbstbewusst antwortet er Jesus, dass er all die Ge-bote, die dieser ihm genannt hat, von Jugend an befolgt habe. (Mk 10,20) Hinter dieser selbstbewussten Feststellung kann man erahnen, dass das bloße Streben nach moralischem Wohlverhalten die Sehnsucht dieses Mannes nach ewigem Leben nicht zu stillen vermochte. Es geht ihm um Mehr! Doch worin besteht dieses Mehr?

 

„Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!“ (Mk 10,21)

 

Durch diese Art der Antwort weitet Jesus die Perspektive des Fragestellers grundsätzlich. Jesu liebender Blick lädt ihn zur völligen Hingabe und Nachfolge ein. Es geht ihm also nicht nur darum, auf 'richtige Weise' vor Gott zu leben, sondern vielmehr darum, die Grenzen des eigenen Ich auf den Mensch gewordenen Sohn Gottes hin zu überschreiten, Seine Liebe zu erwidern und so mit Gott zu leben.

 

Es geht also um weitaus mehr als die Erfüllung von Regeln und Geboten. Es geht um lebendige, persönliche Beziehung! Das ist ein fundamentaler Unterschied zu einem ethischen System, dessen Anforderungen sich zu-mindest potentiell auch rein äußerlich erfüllen ließen, ohne mit dessen Ur-heber in einer persönlichen Beziehung zu stehen. Dem entgegen bedeutet dies, dass sich unsere Sehnsucht nach Mehr, nach ewigem Leben, nach Heil nur im Leben mit Gott wirklich erfüllen kann. Dieses Heil und dieses Leben sind auf die Ewigkeit hin angelegt weil Gott selbst der Ewige ist. Wenn ich mich Ihm ganz hingebe, überschreite ich die engen Grenzen meines eigenen kleinen 'Ich' und sogar die letzte Grenze, nämlich die meines eigenen Todes. Die Liebe des Ewigen Gottes ist selbst ewig. Sie an-zunehmen und zu erwidern, sich Ihr ganz hinzugeben heißt, hinein-genommen zu werden die Ewigkeit Gottes. Diese tiefstinnige Liebe Gottes anzunehmen und sich Ihr ganz hinzugeben hat die Verwandlung der ge-samten menschlichen Existenz zur Folge. Es ist dies ein lebenslanger und in die Ewigkeit mündender Prozess, den die Theologie der Ostkirchen, aus-gehend von frühesten Überlieferungen der Kirchenväter (z.B. Irenäus von Lyon) als Vergöttlichung des Menschen  (Theosis) bezeichnet. Das be-deutet, dass der Mensch durch die Liebe und die Gnade Gottes, mit der der Mensch zusammenzuwirken (Synergie) berufen ist, dem Urbild Christi gleich gestaltet wird, in welchem göttliche und menschliche Natur auf un-vermischte und ungetrennte, ungeteilte und ungeschiedene Weise (Konzil von Chalkedon) geeint sind.

 

Vor diesem Hintergrund kann gesagt werden, dass der christliche Heils-begriff, dass das, was der christliche Glaube unter Erlösung versteht, sich nicht in ethischen Begriffen erschöpft sondern auf die ontologische Wand-lung und Heilung der ganzen menschlichen Existenz (einschließlich der Existenz ganzen Schöpfung) durch die göttliche Gnade zielt. So soll die ur-sprünglich vom Schöpfer intendierte und durch die Ursünde zerstörte Ein-heit (ohne Vermischung oder Trennung) von Schöpfer und Geschöpf wieder hergestellt werden.

 

Hierin haben nicht zuletzt auch die Gebote und die Weisungen christlicher Asketik ihre Begründung. Betrachtet man sie losgelöst von ihrem Zu-sammenhang mit der Heilsökonomie, besteht die Gefahr, dass sich diese gewissermaßen verselbständigen oder sogar verabsolutieren. Einer neuen Spielart des Phärisäismus wäre somit die Hintertür geöffnet. Gebote, Weisungen und Regeln gründen nicht in sich selbst. Sie besitzen in diesem Sinne keinen Selbstzweck. Sie stehen vielmehr immer im Kontext und im Dienst des Heilswirkens Gottes und sind auch demgemäß immer wieder daraufhin zu korrigieren und auszurichten. Zu orientieren ist sich dabei ausschließlich daran, was zur immer tieferen Verwirklichung der per-sonalen Liebeseinigung mit Gott dienlich ist. Dass hierfür pauschale Re-gularien nicht genügen, liegt auf der Hand. Umso mehr ist eine individuelle geistliche Begleitung von Nöten. Diese vermag es, innerhalb eines ver-trauensvollen und geschützten Rahmens, Wege des Heiles mit Gott für jeden einzelnen und jede einzelne zu erschließen. Dies gilt im Besonderen auch für das monastische Leben. Indem wir uns als Nonnen und Mönche auf diese Weise immer mehr und voller lebendiger Sehnsucht der heilenden Liebe Gottes hingeben, kann durch unsere eigene Existenz etwas von Gottes Heilswirken an uns und damit in unserer Welt aufstrahlen.“

 

 

 

        Pater Augustinus‘ Priesterweihe jährte sich am 29.6. zum 25. Mal. Die festliche Eucharistiefeier erhielt auf seinen Wunsch hin eine besondere Note: Die feststehenden Teile des Wortgottesdienstes und das Hochgebet wurden in lateinischer Sprache gebetet – für uns sehr ungewohnt, und doch machte es neu bewusst, dass wir ja Glieder einer Weltkirche mit 2000jähriger Tradition sind! Am Abend gratulierten wir unserem Spiritual in einer kleinen Feierstunde, dankten ihm für über 20 Jahre Dienst in und an unserer Gemeinschaft, genossen gemeinsam ein Eis und ließen ihn schließlich aus einem Athos-Quiz als unumstrittenen Sieger hervorgehen!

 

        Den nächsten Anlass zum Feiern verschaffte uns Schwester Andrea: Sie vollendete am 12. Juli ihr 75. Lebensjahr! Auch für sie gestalteten wir eine abendliche Feierstunde, bei der wir gemeinsam die Frauengestalten aus dem Stammbaum Jesu (Mt 1) betrachteten, die der Maler-Priester Sieger Köder auf dem sog. Frauenaltar seiner Heimatkirche in Wasser-alfingen zur Darstellung brachte. Und wir dankten unserer Mitschwester sehr herzlich für alles, was sie in jahrelangem Dienst als Priorin für unsere Gemeinschaft getan hat und als Cellerarin noch tut. Nach ihren eigenen Worten möchte sie „Spuren der Barmherzigkeit“ hinterlassen. Das scheint ihr auch zu gelingen …

 

        Am 19.7. hatte Schwester Bonaventura mit dem Klosterarbeiten-Kurs in Eichstätt – dank Mutter Bernardas Vermittlung – die Ehre und die große Freude, eine exklusive Führung durch die Custodie der Abtei St. Walburg zu bekommen. In diesen Räumen werden Klosterarbeiten-Schätze aus Jahr-hunderten aufbewahrt. Und da die versammelten Fachfrauen (und -männer) sofort einschätzen konnten, was sie da für Kostbarkeiten vor sich hatten, waren sie entsprechend beeindruckt – und dankbar für diese einzigartige Gelegenheit!

 

        Das älteste Kloster unserer Föderation ist die Abtei Nonnberg in Salz-burg. Dort wählte der Konvent am 20.7. eine neue Äbtissin: Die bisherige Priorin Schwester Veronika Kronlachner OSB wurde die 92. Nachfolgerin der Heiligen Erentrudis. Ihr und Ihren Mitschwesern wünschen wir Gottes reichen Segen auf ihrem gemeinsamen Weg der Gottsuche! Bei der Weihe am 13. August wurde unsere Gemeinschaft durch Schwester Teresa ver-treten.

 

 

 

Liebe Angehörige, liebe Vereinsmitglieder, Wohltäter und Freunde unserer Abtei, liebe Schwestern und Brüder,

 

in eigener Sache:: Im letzten „Gertrudisboten“ haben Sie gelesen, dass ich am 12. März mit dem Fahrrad verunglückt bin. Ja, ich habe die Statistik der schweren E-Bike-Unfälle erweitert. Beim Absteigen bin ich umgefallen und das E-Bike fiel auf mich: Trümmerbruch direkt unter dem Knie und noch ins Knie hinein, also buchstäblich ein Schuss ins Knie, wie das  immer so heisst. Seither (d.h.- 5 Monate)  übe ich mich in Geduld, fahre mit dem Rollator, gehe an Krücken, bekomme Krankengymnastik und werde bestens versorgt von unseren Krankenschwestern – ganz langsam  wird es wieder. – Ich danke für Ihr Gebet. Trotz allem ist es eine fruchtbare Zeit, ich erinnere mich an all das Schöne, das ich auf meinen vielen Rad-touren gesehen habe, es waren immer kleine Pilgerabschnitte.

 

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Sommer mit viel Freude an Gottes schöner Natur, offene Augen für alles und alle.

 

Mit dankbaren herzlichen Grüßen, 

 

Ihre

 

 

Äbtissin

 

 

 

 

 

Das Referat für Neuevangelisierung der Diözese Passau hat auf ihrer Homepage eine neue Plattform für geistliche Angebote eröffnet. Wir beteiligen uns an dieser Initiative mit der Einladung zu einem ganz individuellen Glaubenstag im Kloster:

 

 

 

„Aufwind“

 

Herzliche Einladung zu einem „Tag mit Gott“, der frischen Wind in Ihr geistliches Leben bringen möchte.

 

Termin und Uhrzeit: Samstag, 30. September 2017, 9-18 Uhr  (Mittag-essen im Kloster)                   und jederzeit nach individueller Vereinbarung

 

Ansprechpartnerin: Sr. M. Veronika Popp OSB

 

 

 

 

 

Patientenverfügung - Vorsorgevollmacht - Betreuungsverfügung

 

Samstag, 9. September 2017, 14 – 16.30 Uhr (im Klostersaal)

Ansprechpartnerin: Sr. M. Paula Helm OSB, Krankenschwester (Kosten: 5,- € incl. Unterlagen)       Anfragen bitte an: srpaula@kloster-tettenweis.de



[1] R. Schaeffler, Kleine Sprachlehre des Gebets 11 (Einsiedeln 1988).

[2] M. Buber, Das dialogische Prinzip. Ich und Du 68 (1965).

[3] Schaffler, Kleine Sprachlehre des Gebets13 (Einsiedeln 1988).

[4] Schaeffler, Kleine Sprachlehre des Gebets 16f (Einsiedeln 1988).

[5] R. L. Wilken, Der Geist des frühen Christentums 51 (Darmstadt 2003).

[6] Hesychius von Jerusalem, Fragment zu den Psalmen (StT Mercati) 155-168 (Übers. Sieben 215).