St. Gertrudisbote

 

76. Jahrgang

   

September 2021

 

       

 

„Wenn es Dir lieb ist“

 

Auf der ersten Seite des Juni-Boten hatten wir von den guten Erfahrungen mit unseren zweiten Video-Exerzitien berichtet. Dabei waren Vorträge von Bischof Dr. Jan Liesen zum Einsatz gekommen. Dies hatten wir ihn auch wissen lassen, und er nahm sich tatsächlich Zeit zu einer ausführlichen Antwort, die uns allerdings erst ein paar Tage nach Erscheinen des letzten Boten erreichte. Da Bischof Jan sie eigens für Sie, liebe Leserinnen und Leser, verfasst hat, können und wollen wir sie nicht unter den Tisch fallen lassen, auch wenn das Ereignis, auf das sie sich bezieht, weiter zurückliegt. Er sandte uns folgende Zeilen:

 

„Liebe Leserinnen und Leser des Gertrudis-Boten,

 wegen Corona konnten und wollten die Schwestern von der Abtei Tettenweis keinen Exerzitien-Meister kommen lassen für die jährlichen Exerzitien in der Fastenzeit. Mithilfe von Laptop und Beamer haben sie gemeinsam eine Vor-trags-Reihe angeschaut über das Markus-Evangelium („Begreifen und er-griffen werden“) die vom christlichen Fernsehen EWTN in 2013 aufge-nommen wurde. Um Sie, liebe Leserinnen und Leser, an dieser Erfahrung teilhaben zu lassen, hier eine kurze Nachricht.

 

Warum Exerzitien halten?

Dass Menschen alles Mögliche in ihrem Leben suchen und gar nicht an Gott denken, ist nicht einmal verwunderlich: Viele Menschen kennen Jesus nicht oder kaum. Aber dass Menschen, die Gott kennen, Gott nicht an erster Stelle haben auf der Liste von dem, was sie glücklich macht: das ist seltsam. Das ist eigentlich sehr merkwürdig, denn nichts und niemand kann mit Gott ver-glichen werden; Gott ist der Einzige, außer Ihm gibt es keinen anderen wie Ihn, und Er ist der Einzige, der unsere inneren Sehnsüchte wirklich erfüllen kann. 

Exerzitien gibt es, um Gott zu suchen. Gott suchen ist auch für einen gläu-bigen Mensch nicht immer selbstverständlich. Die Erfahrung ist, dass un-sere Aufmerksamkeit von allen möglichen Dingen im täglichen Leben bean-sprucht wird, und wir können leicht zerstreut werden. Unsere Aufmerksam-keit wird verstreut. Irgendwo vermuten wir wohl, dass die Worte von Jesus zutreffen: ‘Martha, Martha, wie du dich um viele Dinge sorgst, nur eines ist notwendig. Maria hat sich das beste Teil ausgesucht und es wird ihr nicht weggenommen‘. Aber gleichzeitig wissen wir, dass all die Dinge, die unsern Alltag bestimmen, notwendig sind. Es ist schwer in Worte zu fassen, und meistens geschieht es ganz allmählich und subtil, und doch spürt man es: All die Dinge, die so notwendig sind, können anfangen, mit Gott zu kon-kurrieren. Gott kommt auf eine Liste, aber Gott passt in keine Liste. Die Exerzitien sind die Zeit, in der all die notwendigen Dinge ein wenig zur Seite geschoben werden, um die ganze Aufmerksamkeit ausschließlich auf Gott zu richten. Eine geistige Bewegung weg von dem, was täglich notwendig scheint, hin zu Gott, dem einzig Notwendigen. Exerzitien sind keine Ausrede für Schwierigkeiten, dienen nicht, um der Pflicht zu entkommen. Für Exerzitien gilt ein anderes Wort Jesu: ‘Sucht zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere mitgegeben werden‘. Der Zweck der Exerzitien ist also, Gott zu suchen, oder vielleicht noch besser, sich von Gott finden zu lassen, ihm zu begegnen und ihn besser kennen zu lernen.

 

Das Markus-Evangelium

Liturgisch gesehen befinden wir uns im Jahr B, dem Markusjahr, aber es gibt noch einen anderen Grund um dieses Evangelium zu lesen bei Exer-zitien. Markus hat sein Evangelium so geschrieben, dass man als Leser nicht unbewegt bleiben kann: von Abschnitt zu Abschnitt wird man automatisch aufgewühlt, bewegt. Das ist beabsichtigt: Markus will uns in die Ereignisse hineinziehen, die alle rasch auf einander folgen. Es ist auffällig, dass Jesus im Markus-Evangelium kaum einen Moment innehält, er ist immer in Bewe-gung. Die Absicht des Evangeliums ist, dass wir auch diese Geschwindigkeit beim Lesen entwickeln und sogar mitgerissen werden, so schnell, dass ... wir umfallen. Bis unsere eigenen Vorstellungen umfallen und wir uns nur noch an Jesus festhalten können. Das Lesen des Markusevangeliums ist eine Art geistliche Bewegung und passt daher gut zu einer Einkehr. Manchmal kann man bei einem ganzen Abschnitt verweilen, manchmal nur bei einem Vers vielleicht, manchmal bei einem ganzen Kapitel. Worum es wesentlich geht ist, das Markusevangelium zu lesen als geistliche Schriftlesung, bei der wir immer auf der Suche sind nach dem, wie Gott uns darin anspricht und auf unsere Antwort hofft, mit unserer Verantwortlichkeit rechnet!

 

Einige Anregungen zu Mk 1:40-45

Die Heilungen von Jesus sind ein großer Erfolg. Aber es scheint, als ob sein Erfolg ihm zu viel wird. Er möchte kein Aufsehen erregen; er sagt den Ge-heilten immer wieder, sie sollen nicht darüber reden, aber es hilft nicht. Als er sich zurückzieht, schaffen sie es trotzdem, ihn zu finden. Er hat keine Ruhe mehr und muss selber als Aussätziger leben!

Es gibt etwas Widersprüchliches in der Haltung von Jesus. Einerseits ist es klar, dass er nicht als Wundertäter gesehen werden will. Und doch, jedes Mal, wenn sich eine Gelegenheit ergibt, wird es zu viel für ihn und er gibt nach. Er kann nicht "nein" sagen. Es wäre viel einfacher gewesen, diese Heilungen eine Zeit lang nicht mehr durchzuführen. Aber Jesus scheint dazu nicht in der Lage zu sein. Und so wissen die Menschen, wie sie Ihn finden können.

        Was offenbart das Evangelium hier über die unbegreifliche Schwäche Jesu, die von den Kranken dankbar ausgenutzt und missbraucht wird? Vor einem Bedürftigen zeigt sich Jesus immer schwach. Bestimmten Gebeten, be-stimmten Glaubenshaltungen kann er nicht widerstehen, und dann – sozu-sagen - droht er, sie sofort zu erhören. Das ist eine wunderbare Offen-barung: Es gibt tatsächlich unwiderstehliche Gebete, von denen uns das Evangelium selbst deutlich macht, dass sie unfehlbar zu stark für Gott / Jesus sind, weil sie ihn an seiner schwächsten Stelle berühren. Es lohnt sich also, auf das Gebet des Aussätzigen zu hören, denn es ist die Art von Gebet, der Jesus nicht widerstehen kann.

        Es ist ein extrem kurzes und einfaches Gebet, sicherlich eines der kürzesten: ‘Wenn du willst, kannst du mich reinigen‘ (Mk 1,40). Das Gebet ist so kurz, dass es nicht einmal eine klare Frage enthält. In der Tat liegt die Frage nicht in den Worten, sondern in der Haltung des Aussätzigen, der auf den Knien liegt und seine Krankheit vor Jesus ausbreitet. Die Worte des Aussätzigen fügen wenig hinzu, sind aber dennoch sehr wesentlich. Zunächst einmal erkennt er die Macht Jesu an: ‘Du kannst mich reinigen‘. Diese Kraft ist etwas Unglaubliches: was Menschen nicht tun können, kann Jesus tun; es ist offensichtlich, dass Jesus kein gewöhnlicher Quacksalber war. Der Aussätzige bekennt hier, dass eine ganz andere Macht im Spiel ist, eine Macht, die von Gott kommt. Es ist so viel wie ein Glaubensbekenntnis. Diesem Bekenntnis zu Jesu Macht fügt der Aussätzige drei weitere Worte hinzu, mit denen er unwiderstehlich an Jesu Liebe appelliert: ‘Wenn du willst‘. Das bedeutet so viel wie: ‘Wenn es dir gefallen würde; wenn es dir vielleicht eine Quelle der Freude sein könnte; wenn es dir gefällt - wenn es dir lieb ist‘.

Der Aussätzige plädiert also nicht für sich selbst. Er sagt nicht: ‘Mach mir diese Freude‘. Er plädiert für Jesus: ‘Wenn es Dir gefällt‘, das heißt: ‘Wenn Du Dir dieses Vergnügen gönnen würdest‘. Ist dieser Aussätzige nicht eigentlich sehr verwegen? Er wagt zu glauben, dass er die Freude von Jesus sein könnte. Und er schätzt diese Freude von Jesus mehr als seine eigene Heilung und sein Glück.

        Der Aussätzige hat sehr deutlich gespürt, was Jesus bewegt. Das Evangelium sagt von Jesus: ‘von Mitleid bewegt‘, das heißt ‘von Liebe bewegt‘ (das griechische Wort σπλαγχνιζω wird in der Bibel nur verwendet, um die Liebe Gottes zu bezeichnen). Der Aussätzige sagt: ‘Wenn es dir lieb ist‘, und Liebe ist genau das, was Jesus bewegt. Der Aussätzige hat gut gezielt, ein Volltreffer. Er hat die Liebe von Jesus getroffen. Die Tatsache, dass Jesus immer unterwegs ist, dass er überhaupt auf die Erde kam, geschieht aus Liebe. Die Krankheit oder die Sünde kann noch so hässlich sein, wenn sie vor Jesus ausgestellt wird mit dem Appell an seine Liebe ‘wenn es dir lieb ist, wenn du es willst‘, dann kann Jesus nicht widerstehen.

 

Dieses Evangelium enthält einen goldenen Tipp: Gott kann nicht weigern, das Wunder seiner Liebe immer wieder zu wiederholen. In der Tat macht die Kirche jeden Tag davon Gebrauch, denn eine von diesen unwiderstehlichen Gebeten, die Jesus zweifellos erhört, ist das eucharistische Gebet. Es ist eine große Freude für Gott, uns seinen Sohn zu geben, es ist eine Freude für Jesus, sich selbst zu geben. Und auch das ‘Vater unser‘ ist ein solches Gebet: Es gibt nichts, was Gott lieber hören würde als das Echo dessen, was Jesus als erstes gebetet hat: ‘Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden‘, ‘was Du willst‘ – ‘Wenn Du willst‘. Im Evangelium lesen von der Begegnung des Aussätzigen mit Jesus gibt uns eine Chance anzuschließen bei diesem unwiderstehlichen Gebet.“        (Bischof Dr. Jan Liesen, Diözese Breda, NL)

 

Aus unserer Chronik:

      

Schwester Bonaventuras Bruder, Herr Alfred Hahn, wurde am 20. Mai in Wilhelmsthal nach langer schwerer Krankheit von Gott heimgerufen. R.i.p.!

 

Am 6. Juni vollendete Herr Heinz Seidenhofer sein 75. Lebensjahr. Er wohnt hier in Tettenweis und engagiert sich ehrenamtlich als „Klosterchauffer“, seit Frau Wolowskis Wegzug vor mehr als einem Jahr. Auch vorher war er schon für längere Strecken im Einsatz. Nachmittags kam er gemeinsam mit seiner Frau zu uns, sodass wir ihm angemessen gratulieren und danken konnten. Dazu ein leckeres Eis schätzten alle sehr!

 

Vor sechs Jahren wurde in unserem Bistum zum ersten Mal eine „Maria-Hilf-Woche“ begangen. Sie lässt alle Facetten kirchlichen Lebens in und um Passau aufscheinen, so auch die Anwesenheit von Ordensgemein-schaften. Am 24.6., am Hochfest der Geburt Johannes‘ des Täufers, würdigte Bischof Stefan im Rahmen eines Pontifikalamtes im Dom alle Jubilarinnen und Jubilare – nicht nur dieses, sondern auch des vergangenen Jahres. Denn im Vorjahr war die Feier wegen Corona abgesagt worden. Unter den eingeladenen Jubilarinnen waren auch unsere Mutter Bernarda und Schwester Bonaventura (beide 50 Jahre Profeß) und Schwester Lioba (60 Jahre Profeß). Leider konnten sie aus gesundheitlichen Gründen der Einladung nach Passau nicht Folge leisten.

 

Am 25.6. wurde in Altötting unsere Oblatin Frau Renate (Maria) Philipp von Gott heimgerufen. Uns traf die Nachricht überraschend, hatte sie doch noch mit Freude ihren 90. Geburtstag am 13. April feiern können. Sie gehörte unserer Oblatengemeinschaft seit 1987 an und kam mit großer Treue zu den Treffen und zur Vereinsversammlung. R.i.p.!

 

Der für unseren Pfarrverband verantwortliche Seelsorger Dekan Pfarrer Josef Tiefenböck vollendete am 2. Juli sein 60. Lebensjahr. Die Gemeinde Tettenweis feierte diesen schönen Anlass abends im Anschluss an die Vor-abendmesse, an der auch Mutter Bernarda, stellvertretend für unsere Gemeinschaft, teilnahm. Wir schätzen Pfarrer Tiefenböcks stets freundliche Art und seine selbstverständliche Hilfsbereitschaft. Wann immer wir ihn brau-chen für eine kurzfristige Vertretung, ist er da oder organisiert jemanden. Für dieses unkomplizierte Miteinander sind wir sehr dankbar!

 

Knapp zwei Wochen später wurde Pfarrvikar Pater Clement Rockey 50 Jahre alt. Auch ihn schätzen wir als hilfsbereiten Seelsorger.

 

Am 7.7. begann mit dem Ausbau und Abtransport der ersten Pfeifen die General-Überholung unserer Orgel. Die Bauphase ist weder spur- noch staublos an ihr vorübergegangen. Und da wir das Instrument gerne spielbar halten wollen – auch wenn wir seit Schwester Edelburgas Heimgang keine eigene Organistin mehr haben – so haben wir diese Maßnahme veranlasst. Außer unserem altgedienten, treuen Oberministranten Rudi Habermann (nur durch Corona ausgebremst), gab es ja auch immer wieder Gäste, die Orgel spielen können. Und vielleicht ist auch einmal eine Mitbewohnerin oder ein Mitbewohner aus dem Bereich des Betreuten Wohnens daran interessiert.

 

Eine Einladung des Referats Berufungspastoral in Passau war für Schwester Veronika am 9.7. Anlass, im St.-Gotthard-Gymnasium in Nieder-alteich wieder einmal „Schulluft“ zu schnuppern. Gemeinsam mit den Passauer Referenten, Herrn Martin Clemens und Domvikar Andreas Erndl, wurden den Schülern von zwei 10. Klassen in ihren Religionsstunden Anre-gungen geboten, sich zum Thema „Berufung“ Gedanken zu machen.

 

Msgr. Pfarrer i.R. Georg Holzschuh aus Forchheim vertrat Pater Augustinus von 4. bis 18.7. Dafür auch an dieser Stelle nochmals ein herz-liches Vergelt’s Gott!

 

Im Jahr 2019 wurde die Passauer Sonntagsbibel herausgebracht. Sie bie­tet die Lesun­gen für die Sonn- und Fei­er­ta­ge, jeweils illus­triert mit Kunst­werken aus dem gesam­ten Gebiet unserer Diö­ze­se. Zum 17. Sonntag im Jahreskreis B (25.7.) hatte man einen Wandbehang unserer + Schwester Adelgundis Braunhofer ausgewählt, und zwar die wunderbare Brotver-mehrung, die in der Reihe der neutestamentlichen Szenen über dem Chor-gestühl in der Sommerkirche hängt. Frau Dr. Andrea Pichlmeier, Leiterin des Referates Bibelpastoral, nimmt zum Evangelium jeweils einen Kommentar auf in der Kirche, in der sich die zugehörige Darstellung befindet, und stellt es dann als YouTube-Video online. Die Aufnahme bei uns war eine Premiere, und wir freuten uns sehr, das ansprechende Ergebnis am nächsten Tag auf dem Bildschirm zu finden! Verfügen Sie über einen Internet-Zugang, dann gehen Sie doch einmal auf den Videoblog im Lesejahr B unter bibelpastoralpassau.wordpress.com.

 

Liebe Angehörige, liebe Vereinsmitglieder, Wohltäter und Freunde unserer Abtei, liebe Schwestern und Brüder,

 

Das Jahr lehrt Abschied nehmen. „Ein Leben lang sind wir unterwegs, sind Pilger auf ein Ziel hin. Zahllose Menschen machen sich jedes Jahr auf den Weg nach Santiago. Der Jakobsweg führt in den Westen, dorthin wo die Sonne untergeht. Er ist ein Symbol für das Unterwegssein des Menschen von der Geburt bis zum Tod. – Jesus sagt von sich: „Ich bin der Weg“. Er ist bereit, alle aufzunehmen, die guten Willens sind. Er sortiert nicht, er wählt nicht. Ich suche den Weg zur Mitte in mir, im Gehen, mein Gott, begegne ich dir“(Vreni Ammann, St. Gallen).

 

„Wie in der Natur will auch in uns immer wieder Neues beginnen, ein Neu-anfang in der Mitte der Seele. Das Evangelium sagt: ein neuer Mensch. Solange wir leben, arbeitet Gott an uns. Und wo Gott wirkt, wächst immer Neues, Lebenskräftiges, Heilendes und Erlösendes.“

 

Mit diesen Worten von Jörg Zink wünsche ich Ihnen inmitten von allem Beängstigenden, das uns umgibt, die Nähe Gottes. Ihnen allen ein herzliches Vergelt´s Gott für Ihr Beten, Ihr Mitgehen und Ihre Gaben.

 

 

Mit dankbaren herzlichen Grüßen,

 

Ihre

M. Bernarda Schmidt OSB

(Äbtissin)